Anne Chaplet: Schrei nach Stille

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sillesoeren
Beiträge: 22
Registriert: Sa 8. Nov 2008, 17:02

Anne Chaplet: Schrei nach Stille

Beitrag von sillesoeren »

ISBN: 978-3-471-77282-9

Ungewöhnlicher, aber guter Krimi

Das Buch "Summer of Love" der zurückgezogen lebenden Schriftstellerin Sophie Winter soll verfilmt werden. Vor ziemlich genau 40 Jahren ereignete sich etwas Schreckliches in genau dem Dorf, in dem nun lebt. Der junge Hippie Sascha verschwand spurlos. Dies verarbeitete sie in dem Roman und ließ darin Sascha sterben. Weiß sie mehr, als die Polizei oder ist dies schriftstellerische Freiheit?

Der Frankfurter Polizeibeamte Giorgio DeLange, der die Verfilmung des Buches als polizeilicher Berater unterstützt, wird neugierig. Gleichzeitig beschäftigt ihn das Verschwinden eines Jungen. Steht dies in einem Zusammenhang? Ist er einfach von zuhause abgehauen oder ist er Opfer eines Sexualverbrechers?

Die dicht geschilderte Atmosphäre im Dorf, die familiäre Situation des Ermittlers und der Kampf gegen eine beginnende Demenz der Schriftstellerin konnten mich beim Lesen ebenso fesseln, wie der eigentliche Kriminalfall.

Die kurzen Sätze machen mich beim Lesen darauf aufmerksam, dass ein dementer Mensch Probleme mit Schachtelsätzen haben muss und verdichtet die Situation ebenso, wie die akribische Schilderung der Wassertropfen, die sich erst einen Weg ins Regenfass und dann dort heraus bahnen.
LilStar
Beiträge: 50
Registriert: Do 13. Nov 2008, 16:35

Beitrag von LilStar »

"Schrei nach Stille" behandelt die Geschichte des Sommers 1968 in dem drei Hippies das kleine Dörfchen Klein-Roda mit ihrer ungewöhnlichen Lebensphilosophie aufmischen, was den Dorfbewohnern natürlich überhaupt nicht recht ist.
40 Jahre später schreibt Sophie Winter, eine der damaligen Hippies, ein Buch über ihre Sicht der Ereignisse aus dem Jahr 1968, das für viel Wirbel sorgt. Als sie dann auch noch in ihr altes Haus von damals zieht, geschehen merkwürdige Dinge und ein Kind verschwindet. Paul Bremer und Hauptkomissar DeLange ermitteln unabhängig voneinander und decken die wahren Geschehnisse des damaligen Sommers auf.

Zunächst einmal sei gesagt, dass das Buch der bereits fünfte Teil einer Reihe rund um Paul Bremer ist. Für jemanden, der die Vorgänger nicht kennt, ist es recht schwierig ins Buch rein zu kommen, da viel Hintergrundwissen einfach vorrausgesetzt wird. Für mich war es leider so. Ich kannte die bisherigen Bände nicht und konnte bis ca. zur Mitte des Buches mit den meisten Hauptpersonen nichts anfangen, ausgenommen DeLange, der wohl in diesem Band erstmalig auftritt. Dieser wurde von der Autorin gut beschrieben.
Das Buch wird generell aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt. Zunächst einmal aus der Sicht von Sophie Winter. Diese Passagen sind ein wenig wirr und konfus und obwohl diese Person wohl die einzige erzählende ist, die eigentlich das komplette Wissen über alle Geschehnisse haben müsste, erfahren wir von ihr nur wenig konkretes.
Paul Bremer, der in Klein-Roda lebt, bringt ein wenig Einblick ins Dorf und seine Bewohner und deren Sicht der Geschehnisse des Jahres 1968.
Der neue Ermittler DeLange klärt dann schlussendlich nahezu den kompletten Fall. Als Nebenhandlung geht es noch um sein Privatleben mit seinen Töchtern und seiner (Ex)-Frau, was eigentlich überhaupt nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun, dem aber doch große Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Zu erwähnen sei noch der Schreibstil von Chaplet. Dieser ist nämlich ein ungewöhnlicher, woran wahrscheinlich nicht jeder Freude haben wird. Mir hat dieser abgehackte Stil soweit gut gefallen, nur an einigen Stellen störte er mich ein wenig, vor allem dann, wenn der vorherige Text unglaublich flüssig war und dann nur noch abgehackte Sätze kamen.
Ansonsten beschreibt Chaplet sehr bildreich und nüchtern die Umgebung, so dass sich der Leser gut in die Umgebung einfühlen kann.

Der Schluss war mir persönlich an einigen Stellen zu vorhersehbar und an anderen Stellen nicht allzu gut nachvollziehbar.
brasida
Beiträge: 32
Registriert: Mi 3. Dez 2008, 15:55

Die Geschichte der Sophie W.

Beitrag von brasida »

Inhalt:
Die erfolgreiche Autorin Sophie Winter hat zum Unverständnis aller Nachbarn ein altes Haus in Klein-Roda gekauft. Doch es ist nicht irgendein Haus. Ein Fluch lastet auf den Mauern und im Laufe der Jahrzehnte hat sich sein Ruf nicht verbessert. Sophie Winter ist jedoch auch eine Frau mit Vergangenheit. In ihrem Bestsellerroman ?Summer of Love? erzählt sie eine Geschichte von Sex, Drugs und Rock?n?Roll in Konfrontation mit der Spießigkeit der Landbevölkerung. Doch wie viel Wirklichkeit steckt in dem Buch?
Paul Bremer lebt im gleichen Dorf wie Sophie Winter. Auch er ist ein Zugezogener und sieht die Ablehnung die der Autorin von der Nachbarschaft entgegen kommt. Was ist damals vor 40 Jahren im Dorf wirklich geschehen?
Giorgio DeLange ist Polizeikommissar und wird als Berater zur Verfilmung von ?Summer of Love? hinzugezogen. Doch etwas an dem Buch lässt ihm keine Ruhe: Die Erinnerung an einen alten Vermisstenfall an der Polizeischule, der nie aufgeklärt werden konnte.
Wie hängen alle diese Personen zusammen und was ist wirklich im ?Summer of Love? geschehen?

Meine Meinung:
Nach einem starken Beginn mit bildhafter Sprache lässt der Spannungsbogen leider schnell nach. Zwar sind die drei Erzählstränge für sich sehr interessant, doch wirkte die Zusammenführung der Bruchstücke auf den letzten Seiten des Buchs auf mich sehr konstruiert und mit vielen Mutmaßungen aufgefüllt.
Den Titel empfinde ich als sehr passend. Das Oxymoron ?Schrei nach Stille? spiegelt durch seine Gegensätzlichkeit auch die Position von Sophie Winter wieder. Auf der einen Seite eine erfolgreiche Autorin, andererseits jedoch eine verwirrte Frau, die sich im Alltag nur mühsam mit Hilfe von Zetteln zurechtfindet. Diesen Charakter fand ich daher sehr gut ausgearbeitet und lesenswert.
Verwirrend fand ich Paul Bremer und die Darstellung seiner Beziehung zu Anne in Form von SMS Bruchstücken. Seine Erzählpassagen hemmten meiner Meinung nach den kompletten Erzählfluss und hätten sicherlich mehr Potenzial gehabt.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Charakter des Giorgio DeLange auch in weiteren Büchern ausgebaut wird. Von ihm würde ich gerne mehr lesen.
Insgesamt fand ich den Roman zu konstruiert und abgehackt um wirkliche Spannung aufzubauen. Schade ? hier ist die Chance entgangen aus einer guten Story auch ein gutes Buch zu machen.

Fazit:
Ein durchschnittlicher Krimi ohne große Höhen und Tiefen, aber mit interessanten Ansätzen.
villawiebke
Beiträge: 4
Registriert: Fr 9. Jan 2009, 19:09

lesenswerter Dorfkrimi

Beitrag von villawiebke »

Anne Chaplet erzählt in ihrem Buch ?Schrei nach Stille? eine Geschichte, die in 2 Zeitebenen spielt. Es ist das Jahr 1967 als ein Hippie-Trio in das Dorf Klein Rhoda zieht, zu einer Zeit, in der Selbstverwirklichung, LSD und Räucherkerzen zelebriert werden. Ihre Vorstellung von der Verwirklichung der freien Liebe stößt auf massiven Widerstand bei der überaus prüden Dorfbevölkerung und es kommt zu Übergriffen, die ihr abruptes Ende finden, als eines der Blumenkinder spurlos verschwindet.

40 Jahre später kauft die Autorin des Bestsellers ?Summer of Love?, Sophie Winter, ausgerechnet das Haus in Klein Rhoda, in dem damals die Hippies gewohnt haben und reißt damit alte Wunden wieder auf. Die misstrauischen und starrköpfigen Einheimischen fühlen sich durch die Fremde in ihrer Dorfidylle empfindlich gestört. Und so dauert es nicht lange, bis unheimliche Vorkommnisse das Leben der Autorin durcheinander bringen. Immer öfter wird die Frage nach dem verschwundenen Hippiemädchen gestellt, aber das Dorf schweigt.

Bereits auf den ersten Seiten Buches fand ich es faszinierend, ja eigentlich genial, wie die Autorin es versteht, die Stimmung in dem alten Haus zu schildern, wie sie mit bildhafter Sprache und Atmosphäre spielt. Aber auch die persönlichen Befindlichkeiten der Dorfbewohner kommen in diesem Buch nicht zu kurz. Ein typischer Dorfkrimi eben, der durch spießige Bewohner und dörfliche Regeln sein Leben eingehaucht bekommt.

?Schrei nach Stille? ist vielleicht nicht der spannungsgeladene Krimi, den die Thrillerfans unter uns bevorzugen, aber ein Buch, das es in sich hat.
subechto
Beiträge: 533
Registriert: Mi 18. Feb 2009, 22:10

Anne Chaplet: Schrei nach Stille

Beitrag von subechto »

Ich habe fast alles von Cora Stephan alias Anne Chaplet gelesen.

Den Frankfurt-Krimi "Sauberer Abgeng" von ihr fand ich klasse! Sie ist eine tolle Erzählerin.

"Schrei nach Stille" hat mir aber fast genauso gut gefallen. Manchmal ein wenig langatmig, kein richtiger Krimi eben, aber nicht minder empfehlenswert!
Stephi
Beiträge: 15
Registriert: Fr 6. Mär 2009, 16:46

Beitrag von Stephi »

Sophie Winter lebt erst seit Kurzem in Klein-Roda, einem kleinen Dorf in Hessen. Jeder kennt dort jeden, aber sie lebt sehr zurückgezogen und hat kaum Kontakt zu den Bewohnern. Es stellt sich heraus, dass sie schon einmal dort gelebt hat ? nämlich 1968 in einer Hippie-Kommune. Damals wurden sie und ihre beiden Mitbewohner vom Dorf schikaniert und es deutet zunächst alles darauf hin, dass sich dies fortsetzt.
Ihre Erinnerungen an den ?Summer of Love? hat Sophie in dem gleichnamigen Buch festgehalten. Im Dorf stößt sie damit jedoch nur auf Widerstand und Ablehnung, da sich die Menschen in ihren Erzählungen wieder erkennen und bloßgestellt fühlen. So scheint auch schnell klar zu sein, wer Sophies Alltag immer wieder boykottiert.
Im Laufe des Buches werden jedoch immer mehr Einzelheiten aufgedeckt, die ein ganz neues Licht auf das Geschehen werfen...

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe bis zum Ende keinen Zugang zu diesem Buch gefunden. Leider.

Am Anfang fand ich den Schreibstil noch richtig klasse. Die Grundstimmung des Buches wurde wunderbar deutlich und der Leser wird nicht einfach in die Handlung ?hineingeworfen?, sondern allmählich mit den bereits bekannten Sachverhalten vertraut gemacht. So weit so gut.

Unglücklicherweise ändert sich der Stil nicht. Das Handlung treibt vor sich hin. Die Kapitelanfänge stellen jedes Mal einen Szenenwechsel dar ? das ist ja an sich kein Problem, aber dadurch ist es mir nicht möglich gewesen, in die Handlung einzutauchen. Die Kapitel sind überwiegend sehr kurz. Das macht das Lesen zwar angenehm, aber die wirklich toll ausgearbeiteten Charaktere wirken nicht wirklich.

Die Beschreibung der Personen und die Einblicke ihre Gedankenwelten gelingen der Autorin wirklich hervorragend ? dies war es letztlich auch, was mich das Buch zu Ende lesen ließ. Die innere Zerrissenheit Sophies und die inneren Konflikte Bremers und DeLanges erzeugen eine Tiefe, die man selten bei Romanfiguren vorfindet. Um so bedauerlicher ist es, dass dies durch bereits erwähnte Szenenwechsel meist unterbrochen wird, um erst später irgendwann fortgesetzt zu werden.

Außerdem positiv hervor zu heben ist in meinen Augen der Aufbau des Buches. Die durchaus vorhandene Spannung wird aufrecht erhalten, da sich die einzelnen Handlungsstränge mit dem Fortschreiten der Handlung immer weiter annähern. Es ergeben sich Beziehungen zwischen einzelnen Personen, die teilweise nicht zu erwarten waren. Für Überraschungsmomente ist also gesorgt.
Dazu gehört auch das für mich überraschende Ende. Den Ausgang des Buches hätte ich so nicht erwartet. Die allmähliche Herleitung der tatsächlichen Geschehnisse verhindert einen konstruiert wirkenden Abschluss der Geschichte und wertet das Buch durchaus auf.

Dennoch ist ?Schrei nach Stille? für mich insgesamt nur durchschnittlich, da die positiven Aspekt das Negative in meinen Augen nicht gänzlich wett machen können und ich eben keinen Zugang zum Buch gefunden habe.
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