Angelika Godau: Was du gesehen hast. Psychologischer Roman

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Vandam
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Angelika Godau: Was du gesehen hast. Psychologischer Roman

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Angelika Godau: Was du gesehen hast. Psychologischer Roman, Zweibrücken 2023, Independently published, ISBN 979-8-39186529-2, Softcover, 302 Seiten, Format: 12,7 x 1,75 x 20,32 cm, Buch: EUR 9,99, Kindle: EUR 4,99.

„Unser Unterbewusstsein ist immer auf unserer Seite, es will immer helfen und beschützen.“ (Seite 209)

Dr. Maximilian „Max“ Breitfelt, 48, Chefarzt an einer Privatklinik, hat schon während des Studiums den Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie abgebrochen. Die Psychotherapie, die er daraufhin begonnen hat, leider auch, und so ist das, was ihm in seinem Elternhaus Traumatisierendes widerfahren ist, unbewältigt geblieben. Doch durch Verdrängung geht ein Problem in den seltensten Fällen weg.

Panikattacken, Albträume und andere Symptome

Jetzt, mitten im Leben, müsste es ihm eigentlich prächtig gehen: Er arbeitet in der Klinik seines Schwiegervaters. Professor Doktor Karl-Heinz Hofer, und weiß jetzt schon, dass er in nicht allzu ferner Zukunft dessen Nachfolge antreten wird. Gut, die Ehe mit Hofers einziger Tochter Maren (39) war mehr ein Deal als eine Liebesheirat. Wenn Maren es schon nicht geschafft hat, selbst Ärztin und Nachfolgerin ihres Vaters zu werden, dann sollte sie wenigstens jemanden heiraten, der dazu in der Lage ist. So haben sich ihre Eltern das gedacht. Und weil die Tochter das Gefühl hatte, Vater und Mutter nicht noch einmal enttäuschen zu dürfen, hat sie in dieses Arrangement eingewilligt. Das ist jetzt fünf Jahre her. Wie das bei arrangierten Ehen mitunter der Fall ist, kommen die zwei überraschend gut miteinander klar.

Blöd nur, dass Marens Eltern so übergriffig sind und ständig nach Enkelkindern quengeln. Es ist ja nicht so, dass die Breitfelts keine Kinder möchten. Es will nur nicht klappen. Bei all dem Druck vergeht Max Breitfelt schließlich die Lust komplett. Der ehemalige Frauenheld kann auf einmal nicht mehr: erektile Dysfunktion. Mögliche körperliche Ursachen kann der Arzt ausschließen. Es muss also mit der Psyche zusammenhängen. Als er auch noch andere Symptome entwickelt wie Bettnässen und eine unüberwindliche Angst vor roten Ampeln, sucht er Hilfe bei der Psychotherapeutin Dr. Petra German.

War die Therapie ein Fehler?

Dass er sich einer Psychotherapie unterzieht, kriegen die Schwiegereltern schnell spitz. Fragt nicht, wie! Sie reagieren hysterisch: Wenn die Leute erfahren, dass der Chefarzt Probleme hat, wird sich doch kein Mensch mehr von ihm behandeln lassen! Mit seiner Therapie ruiniert er noch die ganze Klinik und damit das Lebenswerk seines Schwiegervaters … und so weiter und so fort. Man kann sich die Tiraden vorstellen.

Als Max‘ Frau einer Freundin unter dem Siegel der Verschwiegenheit von ihren häuslichen Problemen erzählt, hat dieses dumme Luder nichts Besseres zu tun, als das herumzutratschen. Jetzt macht Max Breitfelt endgültig dicht. Vielleicht war das mit der Therapie doch keine so gute Idee und er sollte lieber versuchen, seine Probleme allein zu lösen? Aber was ist, wenn ihm das nicht gelingt?

Zweifelhafte Erinnerungen

Er findet einen faulen Kompromiss: Er geht weiterhin zu Frau Dr. German, erzählt ihr aber nur belangloses Zeug. So wird das natürlich nix! Die erfahrene Therapeutin durchschaut, was ihr Patient für ein Spielchen spielt. Sie misstraut seinen Erinnerungen, oder, besser gesagt, seiner Interpretation davon, und legt ihm ans Herz, mit seiner Herkunftsfamilie Kontakt aufzunehmen. Wenn er mit seinen Eltern nicht reden will, dann wenigstens mit seinem Bruder. Vielleicht war ja alles ganz anders …!

Markus Breitfelt ist zunächst nicht erbaut davon, dass sein Bruder Max nach 25 Jahren Funkstille unangemeldet vor der Tür steht. Er hat nie verstanden, warum Max sich von der Familie losgesagt hat. Von dem, was ihm angeblich als Kind angetan worden ist, hat Markus nie etwas mitbekommen. Er hält diese Anschuldigungen für vollkommen absurd. Jetzt kommt Max doch ins Grübeln. Kann es sein, dass er sich nur eingeredet hat, missbraucht worden zu sein, damit er etwas noch viel Schlimmeres nicht zur Kenntnis nehmen muss?

Per Hypnose zurück in die Kindheit

Seine Symptome bessern sich nicht, seine Panikattacken werden schlimmer, genau wie seine Albträume. Schließlich willigt er nach langem Zögern und Sträuben doch ein, sich von Frau Dr. German per Hypnose in seine Kindheit zurückversetzen zu lassen …

Das ist kein Krimi aber doch unglaublich spannend. Ich konnte nicht aufhören zu lesen, weil ich unbedingt wissen musste, was dem armen Max als Kind so Schreckliches zugestoßen ist! Und warum diese Probleme gerade jetzt zu Tage treten, nachdem er sein halbes Leben lang Ruhe davor gehabt hat. Ich habe mir die grausigsten Szenarien ausgemalt. Waren seine Eltern nicht in irgendeiner merkwürdigen Sekte? Hat der arme Junge am Ende sowas wie satanische Rituale miterleben müssen? Oder doch einen Mord, obwohl das Buch gar kein Krimi ist?

Was ist damals wirklich passiert?

Was in seiner Kindheit wirklich geschehen ist, klärt sich in überraschender Weise auf. Wie Max‘ Angst vor Ampeln ins Bild passt, wird zwar nicht explizit angesprochen, aber man kann es sich zusammenreimen. Und man möchte mehr schütteln als nur den Kopf. 😊 Die Menschen, zum Beispiel, die den Jungen so traumatisiert haben. Und Max selbst, der vor 25 Jahren seine erste Therapie abgebrochen hat, als er gemerkt hat, dass es jetzt ans Eingemachte geht.

Was hätte ihm nicht alles erspart bleiben können! Aber Menschen machen nun mal Fehler, und es ist gut, dass es Therapien und Therapeut:innen gibt, die den Betroffenen helfen, hinterher die Scherben wieder zusammenzusetzen und trotz schlimmer Erfahrungen ein gutes Leben führen zu können. Die Autorin hat selbst Psychologie studiert und eine eigene Praxis betrieben, sie weiß also gut, worüber sie schreibt.

Die Geschichte ist mitreißend und sie macht Mut, sich seinen Problemen zu stellen. Das ist nicht leicht, das weiß ich, aber es besteht die Chance, dass man sich danach deutlich besser fühlt.

Ach ja … allen, die auch dem Laster frönen, gleich zu Anfang auf den letzten Seiten eines Buchs nachzuspähen, ob die Geschichte gut ausgeht, sei gesagt: Das funktioniert hier nicht. Jedenfalls nicht so leicht. Das knappe letzte Drittel des Bandes besteht aus Leseproben anderer Bücher der Autorin – die auch einen Blick wert sind, aber halt nichts über das Schicksal von Max Breitfelt aussagen.

Die Autorin

Angelika Godau, geboren in Oberbayern, hat in verschiedenen Regionen Deutschlands gelebt und fast 10 Jahre lang in der Türkei. Sie hat als Journalistin gearbeitet, Psychologie studiert und in Mannheim eine eigene Praxis betrieben. Heute lebt sie mit ihrem Mann, zwei Hunden und einer Katze in Zweibrücken, schreibt Bücher und engagiert sich im Tierschutz.
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