Lucinde Hutzenlaub, Heike Abidi: Ich dachte, zu zweit muss man nicht alles selber machen

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Vandam
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Lucinde Hutzenlaub, Heike Abidi: Ich dachte, zu zweit muss man nicht alles selber machen

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Lucinde Hutzenlaub, Heike Abidi: Ich dachte, zu zweit muss man nicht alles selber machen. Ein Überlebenstraining für die Familienmanagerin im Dauereinsatz, München 2023, Penguin Verlag, ISBN 978-3-328-10835-1, Softcover, 256 Seiten, Format: 11,9 x 2,3 x 18,8 cm, Buch: EUR 11,00 (D), EUR 11,40 (A), Kindle: EUR 9,99.

TEIL 1: VON WEGEN MULTITASKING …
Wie wir es schaffen, uns zu überlasten und dabei zu glauben, wir hätten was geleistet

„Wer im Job alles gibt, kann nicht zugleich eine Superhausfrau sein. Und ganz in der Kindererziehung aufgehen. Und sich um pflegebedürftige Eltern kümmern. Und ehrenamtlich tätig sein. Und dabei noch toll aussehen, ausgeglichen sein, glücklich und zufrieden sowieso …“ (Seite 86)

Irgendwer hat vor -zig Jahren mal beschlossen, dass Familien- und Sorgearbeit („Care-Arbeit“) beim Bruttoinlandsprodukt nicht mitgerechnet wird und von den Frauen unentgeltlich zu leisten sei. Was in ländlichen Großfamilien und der klassischen „Hausfrauen-Ehe“ noch funktioniert haben mag, fällt uns auf die Füße, wenn Frauen ebenfalls berufstätig sind. Vor allem, wenn MÜTTER mehr als nur auf Minijob-Basis arbeiten gehen. Oder gar eine eigene Karriere verfolgen!

In der Gesellschaft hat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahrzehnten einiges geändert, nur eben in den Köpfen der Menschen nicht.

Ach, der Mann hilft im Haushalt?

Ich kann gut verstehen, dass die Autorinnen soooo einen Hals kriegen, wenn es heißt, dass ein Mann „seiner Frau im Haushalt hilft“. Nein, zefix nochmal, Haushalt und Kinder sind nicht automatisch der alleinige Verantwortungsbereich der Frau! (Nur, wenn ausdrücklich so vereinbart und geregelt.)

Wir sind nicht mehr in den 1970er-Jahren, wo die Pflichten der (Haus-)Frau im Gesetz verankert waren. „Nebenbei“ arbeiten durfte eine verheiratete Frau nur, wenn ihr Mann damit einverstanden war und es sich mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbaren ließ. Diese Zeiten haben wir zum Glück hinter uns. Und doch muss frau aufpassen, dass sie nicht dauerhaft in der Hausfrauen-/Teilzeitfalle landet, nur weil sie Mutter geworden ist. Unter Umständen hat sie auch noch den gesamten „Mental Load“ allein an der Backe und muss die komplette Organisation von Haushalt und Familie im Blick haben, während der Partner nur auf ausdrückliche Anfrage mit anpackt.

Absprachen auf Augenhöhe

Ist doch klar: Wenn ein Partner sich komplett aus der Planung und Organisation des Familienlebens heraushält, KANN er von sich aus nicht wissen, was zu tun ist und wird zum Hiwi. Wäre eine Absprache auf Augenhöhe nicht sinnvoller? Wenn zwei in derselben Richtung an einem Strang ziehen, bewegen sie wahrscheinlich mehr, als wenn nur einer sich abmüht und den anderen auch noch mitzerren muss.

Übrigens: Niemand verteufelt hier die traditionelle Rollenverteilung! Wenn beide Partner das so haben möchten, fein. Dann muss aber auch für die Altersvorsorge desjenigen gesorgt sein, der auf ein eigenes Einkommen verzichtet. Sonst steht der „Care-Arbeiter“ vielleicht mal mit einer mickrigen Rente da. Ein gutverdienender Partner allein ist keine verlässliche Altersabsicherung. Man weiß nie, was kommt. Oder wer geht …

Lustige Beispiele, ernstes Thema

„Als könnten Männer nicht genauso gut die Betten beziehen, aufräumen, an Geburtstage denken, den Nachwuchs bei Liebeskummer trösten, Arzttermine vereinbaren oder sich ums Wohlbefinden der Angehörigen kümmern. Denn natürlich können sie das. Genau wie wir Frauen es schaffen können, Last abzugeben und mehr für uns selbst einzufordern. Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Wertschätzung, mehr Spaß. Das haben wir uns verdient.“ (Seite 17)

Wie das funktionieren kann und welche negativen Auswirkungen es womöglich hat, wenn wir einfach so weitermachen wie bisher, zeigen uns die Autorinnen anhand verschiedener Beispiele. Natürlich berichten sie, wie in allen ihren Sachbüchern, auch von ihren eigenen Erlebnissen und Erfahrungen. Auch wenn ihre Schilderungen humorvoll und unterhaltsam sind: Das Thema ist ein ernstes. Gender-Pay-Gap, Gender-Care-Gap, Mental Load, der Mythos vom Multitasking, übertriebener Perfektionismus, Momshaming, Überforderung und Altersarmut – das ist alles nicht zum Lachen.

TEIL 2: NOT MY CIRCUS, NOT MY MONKEYS
Wie wir Freiräume schaffen, indem wir nicht permanent die Welt zu retten versuchen

„[Ich habe] gelesen, Männer seien wie Saurier – sie sehen nur, was sich bewegt. Deshalb wäre es theoretisch besser, die Stapel mit schmutzigem Geschirr würden hin und her schwanken – dann würde man sie entdecken und spülen.“ (Seite 84)

Okay, das war jetzt fies. :-D Aber es gibt durchaus wirksame Methoden, sich Freiräume zu schaffen. Man muss dafür keine Geschirrstapel zum Wackeln bringen.

Jede:r kann Wünsche und Erwartungen an uns herantragen. Aber der Himmel wird nicht einstürzen, wenn wir diesen nicht entsprechen. Wenn man keine Zeit oder keine Lust zum Laternenbasteln oder Kuchenbacken hat, dann lässt man’s bleiben und/oder kauft das Entsprechende. Die Welt wird sich weiterdrehen.

Manchen Druck machen wir uns selbst, anderer kommt von Leuten, deren Meinung uns Wurscht sein kann. Man kann sich sowieso abstrampeln wie man will: Irgendwer meckert immer und weiß es besser. Also machen wir’s doch gleich so, wie wir selbst es für richtig halten. Sehr schön sieht man das im Kapitel „Warum tun wir das einander an? Momshaming“ (Seite 128 ff.)

TEIL 3: UND WER KÜMMERT SICH UM MICH?
Wie wir lernen, uns nicht immer an die letzte Stelle zu setzen

Und was können wir tun gegen den Drang, es immer allen recht machen zu wollen und an uns selbst zuletzt zu denken? Auch dafür gibt es Tricks, Techniken und Übungen, die die Autorinnen uns verraten. Doch die sind manchmal nicht so leicht umzusetzen. Die Problemlösung auf Knopfdruck gibt es leider nicht. Schon gar nicht, wenn zu Beruf, Haushalt und eigener Familie noch das Kümmern um die immer hilfsbedürftiger werdenden Eltern dazukommt. Da können im Einzelfall vielleicht die im Buch angesprochenen Beratungsstellen weiterhelfen.

Erstaunlicherweise werden Ehrenämter oft gar nicht als zusätzliche Belastung wahrgenommen, sondern als Bereicherung. Aber nur dann, wenn man sie aus Überzeugung, gern und freiwillig ausübt.

Wichtig finde ich auch das Kapitel „Let’s talk about money!“ (Seite 167 ff.). Da sieht man deutlich, dass dieses „Care-Arbeit-und-Care-Gap-Ding“ kein individuelles Problem ist, sondern seine Ursache im System hat. Trotzdem schlägt sich jede einzelne im stillen Kämmerlein damit herum und wurstelt sich irgendwie durch. Dabei ist das Private hier politisch, nur will das niemand sehen. Die Struktur stimmt nicht, und wir sollen mit Yoga und Honigmilch dagegen angehen? Nee, Leute, nee! Das hilft vielleicht für den Moment, ändert aber nichts an der Grundsituation.

Ich werde auf meine alten Tage sicher nicht mehr in die Politik gehen um zu versuchen, das Problem an der Wurzel zu packen. Aber vielleicht tun das andere, die dieses Buch lesen.

PS: Englische Fachbegriffe

Ach ja: Für die englischen Fachbegriffe kann ich nichts. Ich nehme an, dass man sich zuerst im englischsprachigen Raum mit diesem Thema beschäftigt hat. Und jetzt heißt das halt alles so. Aber, sagt mal, müsste das auf Seite 151 nicht „reframen“ lauten – ohne das i nach dem a? „Framing“ kommt doch vom „frame“ = Rahmen. Ich sag’s nur …

Die Autorinnen

Heike Abidi lebt zusammen mit ihrer Familie in der Pfalz bei Kaiserslautern. Sie arbeitet als Werbetexterin und Autorin von Unterhaltungsromanen, unterhaltenden Sachbüchern sowie Jugend- und Kinderbüchern. Sie versucht, ihren familiären Alltagsstress auf ein Minimum zu reduzieren, indem sie sich alles Belastende mit ihrem Mann teilt – wobei er vermutlich den größeren Anteil schultert …

Lucinde Hutzenlaub wurde in Stuttgart geboren, wo sie nach mehreren Auslandsaufenthalten wieder lebt. Sie ist Heilpraktikerin und Coach, verheiratet und hat drei Töchter und einen Sohn. Lucinde arbeitet als Kolumnistin und Autorin, selbstverständlich nebenher. Hauptberuflich ist sie Mutter. Nein, Moment: Ehefrau. Oder vielleicht doch … Nun ja. Alles eben. Obwohl sie es eigentlich besser wissen müsste.
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