Anja Rauter: Ausgeträllert. Ein Wiener Opern-Krimi

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Vandam
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Anja Rauter: Ausgeträllert. Ein Wiener Opern-Krimi

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Anja Rauter: Ausgeträllert. Ein Wiener Opern-Krimi, Salzburg/München 2023, Servus Verlag bei Benevento Publishing, ISBN 978-3-7104-0324-8, Klappenbroschur, 287 Seiten, Format: 13,3 x 2,2 x 20,2 cm, Buch: EUR 16,00, Kindle: EUR 12,99.

Ich lese ihr die SMS vor und spiele den seltsamen Anruf ab. Meine Mutter sieht mich erschrocken an und ihre Wangen wirken plötzlich eingesunken und fahl.
„Ich glaube, wir sind dem Mörder zu nahegekommen, Mama! Viel zu nahe!“ Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken.
(Seite 180)

Samantha Sauer (41), allein erziehende Mutter einer Teenie-Tochter, arbeitet tagsüber im Büro eines Immobilienmaklers und beschattet nach Feierabend als Privatdetektivin mutmaßlich treulose Ehepartner.

Bei einem Opernbesuch wird sie zufällig Ohrenzeugin eines Streitgesprächs, das sie reflexartig aufzeichnet: Zwei Damen und ein Herr diskutieren sehr aufgebracht etwas, das doch sehr nach Erpressung und Drohung klingt. Samantha glaubt, dass sich hier die Star-Sopranistin Francesca Cuttolini und ihr Lebensgefährte, der aufstrebende Tenor Leonardo Rossi in den Haaren liegen. Die dritte Person, die Frauenstimme mit dem rollenden R, kennt sie nicht.

Unfall oder Mord?

Als sie anderntags in der Zeitung liest, dass eben diese Sängerin im Opernhaus tödlich verunglückt ist – anscheinend kopfüber die Feststiege hinuntergestürzt –, kommt ihr das seltsam vor. Sie spielt das aufgezeichnete Streitgespräch ihrer Mutter vor, einer pensionierten Polizeibeamtin. Auch die hält es für verdächtig. Nur Stephan Müller vom LKA, den die beiden Frauen umgehend aufsuchen, nimmt die Sache nicht ernst. Das mit der Cuttolini, das sei ein Unfall gewesen, erklärt er. Die Polizei ermittle nicht. Aha. Warum hängen dann in seinem Büro Fotos vom Tatort, wenn’s gar keiner war?

Ja, wenn Samanthas Vater, der ebenfalls Polizeibeamter war, noch leben würde, dann wäre das sicher ganz anders gelaufen! Na gut, wenn die Behörden sich nicht für den Fall interessieren, muss sich halt das „Frauen-Sonderermittlungs-Komitee“ darum kümmern!

Das Frauen-Sonderermittlungs-Komitee legt los

Das Komitee mit dem offiziell klingenden Namen besteht lediglich aus drei neugierigen Damen, die sich aus eigenem Antrieb und rein privat in Kriminalfälle einmischen. Samantha Sauer gehört dazu, ihre Mutter Therese sowie die mondäne Gräfin Cosima Caecilia von Waldenstein nebst Kater Strizzi – und am Rande noch Samanthas dreizehnjährige Tochter Lisa. Der Teenie spitzt immer kräftig die Ohren, wenn das Komitee sich unterhält und trägt auch ein bisschen was zu dessen Erfolg bei. Ohne Lisas moderne Ermittlungsmethoden würden Mama, Oma und die Gräfin lange nicht so schnell ans Ziel kommen!

Jetzt fragt sich die Krimileserin natürlich, warum Samantha, wenn sie schon aus einer Polizistenfamilie stammt und gerne ermittelt, nicht selbst Polizistin geworden ist. Die Autorin scheint zu ahnen, was ihre Leserschaft beschäftigt und liefert die Erklärung prompt: Samantha hat’s probiert, musste die Ausbildung aber abbrechen, weil sie kein Blut sehen kann. Leichen übrigens auch nicht. Na ja, und so super-subtil stellen sich die Sauer-Frauen beim Ermitteln auch nicht an. 😊 Da hat die Gräfin mit ihrem Schmäh und ihren Kontakten in die höchsten Kreise oft mehr Erfolg.

Was hat der Lebensgefährte zu verbergen?

Sehr zum Ärger von Polizeiinspektor Müller verdächtigt und bespitzelt das „Frauen-Sonderermittlungs-Komitee“ jetzt den Sänger Leonardo Rossi: Wo kommt er her, was hat er privat und beruflich alles gemacht und was hatte seine verstorbene Lebensgefährtin gegen ihn in der Hand? Stimmt vielleicht was mit der Stiftung nicht, die er zur Förderung von Kindern aus finanzschwachen Familien gegründet hat? Seine Lebensgefährtin hatte da auch viel Geld hineingesteckt. Hat sie ihn vielleicht dabei erwischt, wie er in die Kasse gegriffen hat?

Außer, dass sich Samantha und der grantige Inspektor langsam näherkommen und die Gräfin ihren potenziellen Ehemann Nr. 4 kennenlernt, kommt bei diesen Ermittlungen nicht viel raus.

Und dann gibt’s einen weiteren Toten im Umfeld der Oper! Das hatte echt niemand auf dem Schirm!

Ausgerechnet Engelbert Mayer, der Immobilienmakler, für den Samantha arbeitet, liefert, ohne sich dessen bewusst zu sein, den entscheidenden Hinweis für die Aufklärung dieses Falls …

Ein eingespieltes Team – und sehr amüsant

Sehr amüsant sind die drei Hobby-Ermittlerinnen, die bar jeder Eitelkeit auch zu ihren Flops stehen. Kurz habe ich mich gefragt, ob ich vielleicht mitten in einer Serie gelandet bin, weil ich den Eindruck hatte, dass das ein gut eingespieltes Team mit einer langen gemeinsamen Vorgeschichte ist. Aber nein, es gibt keine Vorgängerbände. Folgebände, vielleicht?

Die naseweise und gut vernetzte Cosima Caecilia von Waldenstein erinnert mich ein bisschen an die Gräfin von Schönberg aus der Vorabend-Serie „SOKO Kitzbühel“ und an Lady Felicia Montague aus der BBC-Serie „Father Brown“. Das ist aber kein Problem. Dieses Konzept funktioniert eben gut.

Mit diesem ungleichen Damen-Trio streift man sehr, sehr gern durch Wien! Dagegen bleibt der Polizeinspektor ein bisschen blass. Keine Ahnung, was den Mann an- und umtreibt! Erstaunlich schnell hat er seine Einstellung gegenüber Samantha und ihren Hobby-Schnüfflerinnen geändert.

Rasche Lösung, tolle Sprüche

Ich bin auch mit der Aufklärung des Falls nicht so wirklich glücklich. Das ging auf einmal ratzfatz. Ja, plausibel ist das schon und es wird da auch nix aus dem Hut gezaubert. Aber wie die Damen auf die Lösung kommen, finde ich ein bisschen merkwürdig. Kurz gesagt: Das Amateur-Ermittlerinnenteam ist klasse und die Liebe zu Wien ist spürbar, aber bei der Handlung wär‘ noch ein bisserl Luft nach oben.

Zum Piepen sind die Sprüche, die einleitend über den einzelnen Kapiteln stehen. Die werden den handelnden Personen in den Mund gelegt und passen perfekt zu ihnen. Den hier werde ich umgehend vereinnahmen und bei Gelegenheit anwenden:

„Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, leg ein Schnitzel darunter.“ – Samantha Sauer (Seite 122)

Die Autorin

Anja Rauter, Jahrgang 1972, wurde in Baden bei Wien geboren und arbeitet seit über fünfzehn Jahren im Marketing. 2018 erschien ihr Romandebüt »Wir zwei auf Wolke sieben«. Von ihrem Büro in der Wiener Walfischgasse blickt sie täglich auf die Staatsoper, die sie zum Schauplatz ihres ersten Hauptstadt-Krimis macht.
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