Elke Seidel: Die Katze, die ihren Horizont erweitert

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Vandam
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Elke Seidel: Die Katze, die ihren Horizont erweitert

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Elke Seidel: Die Katze, die ihren Horizont erweitert. Der zehnte Fritzi Kullerkopf Roman, Norderstedt 2022, BoD Books on Demand GmbH, ISBN 978-3-7568-1460-2, Softcover, 376 Seiten mit zahlreichen farbigen Illustrationen von Elke Seidel, Format: 18,9 x 1,98 x 24,61 cm, Buch: EUR 20,99, Kindle: EUR 9,99.

„Alles, was ich bisher veröffentlicht habe, ist wahr. […] Es war immer nur ein kleines bisschen anders.“ (Seite 23)

Tagebuch einer spitzzüngigen Katze

Auch nach zehn Bänden lese ich die Tagebücher der spitzzüngigen Katzendame Fritzi immer noch mit großem Vergnügen. Wenngleich „Roman“ auf dem Cover steht: Es gibt hier nicht das eine dramatische Ereignis mit dem großen Spannungsbogen, sondern Fritzi erzählt frisch von der Leber weg, was ihr unter die Augen kommt und durchs schlaue Köpfchen rauscht.

Wenn nichts Aufregendes passiert, telefoniert sie ihre Facebook-Freundschaften ab oder streift durch die Nachbarschaft und lässt sich von ihren Mitgeschöpfen Geschichten erzählen. Ob es sich dabei um Lebensgeschichten, Träume, unerhörte Begebenheiten oder lustige Erlebnisse handelt, ist ihr egal, Hauptsache, es ist interessant.

Aber wann ist im Frauenhaushalt Seidel schon mal nichts los? Okay, während der Pandemie konnten Fritzi und ihre menschliche Sozialpartnerin Elke nicht ihrem Lieblingshobby nachgehen, dem Reisen. Aber „Dosenöffnerin“ Elke sorgt auch daheim für genügend Erzählstoff. Sie ist kontaktfreudig, tierlieb, kreativ, kulturinteressiert und resolut. Einen Großteil ihres Berufslebens hat sie für den Frankfurter Flughafen gearbeitet. Sie hat unter anderem Kunden betreut, Reisende begleitet und Mitarbeiter:innen geschult. Daher weiß sie, dass eine gute Organisation das A und O ist, sonst läuft ein komplexer Betrieb nicht.

Schlechter Service? Nicht mit Elke!

Gut: Natur und Technik können einem immer noch dazwischenfunken, aber das ist dann höhere Gewalt. Genau wie Dummheit. Dagegen ist man ebenfalls machtlos. Wenn aber Schlamperei, Gleichgültigkeit, Lahmarschigkeit oder Faulheit Sand ins Getriebe streuen, wird Elke ungehalten. Wenn jemand könnte, wenn er nur wollte und trotzdem einen lausigen Service abliefert, muss er sich warm anziehen. Insbesondere im Bereich Reisen kann man dem Profi Elke nichts vormachen.

Katze Fritzi ist entweder dabei, wenn Elke unterwegs ist oder lässt sich hinterher alles haarklein berichten. Und dann schwankt sie zwischen solidarischer Empörung und Fremdscham, wenn ihr Mensch wieder mal einen Mitmenschen gnadenlos zusammenfaltet. So oder so: Die Leser:innen amüsieren sich!

Endlich wieder reisen!

Endlich ist nach langem pandemiebedingten „Hausarrest“ das Reisen wieder möglich! Elke bucht für sich und Fritzi eine Woche Kalabrien im Oktober. Das Wetter am Urlaubsort ist nicht so toll, doch damit haben die erfahrenen Reisenden schon gerechnet. Das Ausflugsprogramm ist nachsaison- und witterungsbedingt ausgedünnt aber dennoch interessant. Dafür ist die Hotelverpflegung selbst für genügsame Urlauber eine Zumutung. Als Elke auch noch für die bizarren Kapriolen zweier seniler Schwestern verantwortlich gemacht wird, reicht es ihr …

Kalabrien im Herbst

Auch wenn Reiseberichterstatterin Fritzi bei zu viel Kultur und Jahreszahlen sofort in Tiefschlaf fällt, bleibt bei ihr doch allerhand von dem hängen, was die Reiseleiter:innen erzählen. Ob’s um Geschichte, Mythen und Legenden, Brauchtum oder Minderheiten geht: Kalabrien scheint wirklich eine Reise wert zu sein. Trotz Mafia.

Ein bisschen geht’s mir jetzt wie Fritzi, die stets beschließt, im Internet nachzusehen, wenn Informationen allzu schnell und dicht auf sie niederprasseln: Ich hab‘ mir Notizen gemacht und werde das eine oder andere nachschlagen. Die Arbëresh – eine alteingesessene albanische Minderheit in Italiens Süden – interessieren mich zum Beispiel besonders.

Ein Unfall mit Folgen

Als Fritzi und Elke wieder daheim sind und albtraumhafte Reisegefährten sowie das Abenteuer im Museumspark von Locri, das sogar die Carabinieri auf den Plan gerufen hatte, verarbeitet haben, ist schon wieder Schluss mit ihrer „Reisefreiheit“. Elke stürzt im heimischen Badezimmer so unglücklich, dass sie sich einen Fußknöchel bricht. Für einen allein lebenden Menschen mit Haustier ist das eine mittlere Katastrophe. Wer kümmert sich um Fritzi, wenn Elke ins Krankenhaus muss? Wie sollen sie sich versorgen, wenn sie nicht aus dem Haus kann?

Gut, dafür lassen sich mit Freundeshilfe Notlösungen finden. Nicht aber für die Mühlen des Gesundheitssystems, in die Fritzis Dosenöffnerin gerät: Welche Diagnose stimmt denn jetzt? Welche Verhaltensmaßregeln gelten für sie? Die Ärzte widersprechen einander. Wer ist eigentlich für sie zuständig? Und um sich durch den Formulardschungel zu kämpfen, bräuchte sie entweder einen „einheimischen Führer“ an ihrer Seite, der fließend behördisch spricht oder eine Machete …

Eine Frau sieht rot

Warum man als Patient:in manchmal von Pontius zu Pilatus geschickt wird, -zigmal die gleichen Angaben machen muss und angepampt wird, wenn man nicht gleich durchblickt, hat sich wohl manche:r schon gefragt. Elke betrachtet diese undurchschaubaren Abläufe jedenfalls als „mangelnde Kundenorientierung“ und „miesen Service“. Eine Frau sieht rot!

Auch der örtliche Computerladen kriegt diesbezüglich sein Fett weg. In dessen jung-dynamischer Welt kommen Seniorinnen, die etwas mehr technische Unterstützung brauchen, nicht vor. Und Elke ist eben schon ein bisschen länger jung als die Burschen im „Flagship Store“.

Als es gesundheitlich wieder aufwärts geht, besuchen Fritzi und Elke Bad Doberan. Fritzi würde am liebsten gleich wieder umkehren. Die Anreise ist lang und beschwerlich, das Wetter bäh, die Unterhaltung mau und die lokale Katzenverwandtschaft unfreundlich. Elke sieht nicht ganz so schwarz, sie genießt das Wiedersehen mit Freundin Katrin.

Haarsträubende Erlebnisse in Bad Doberan

Das Gästehaus des ehemaligen Zisterzienserordens, die so genannte Klosterherberge, würde sich Fritzis Erfahrungsbericht sicher nicht hinter den Spiegel stecken. Als Leser grinst man über diverse Kollisionen mit störrischem Personal und über haarsträubende „Schlüssel-Erlebnisse“. Aber spätestens bei der Abrechnung wäre auch mir der Kragen geplatzt. Sollte man denen mal sagen, dass sie in einem Buch vorkommen? Fritzi wird ihnen sicher kein Exemplar geschickt haben. (Diesen Beherbergungsbetrieb gibt’s wirklich.)

Durch Formular-Dschungel und Servicewüsten

Am größten ist der Erkenntnisgewinn für uns Leser:innen zweifellos, wenn Fritzi reist und vor Ort berichtet. Aber auch die heimischen Expeditionen durch Formulardschungel und Servicewüsten sind unterhaltsam. Und natürlich Fritzis treffende Kommentare zum rätselhaften Verhalten des Homo sapiens. Vielleicht sollte die clevere Kätzin wirklich den Gedanken vom Anfang dieses Bandes verfolgen und sich als Coach ausbilden lassen. Ein bisschen gesunder Katzenverstand kann uns Menschen nicht schaden.

Die Autorin

Elke Seidel absolvierte nach der Schule eine Lehre als Drogistin und erlangte einen Fachschulabschluss. Danach arbeitete sie mehrere Jahre in einem Reisebüro, in dem sie auch als Reiseleiterin amerikanische Touristen durch europäische Hauptstädte und durch den Nahen Osten führte. Anschließend arbeitete sie über 30 Jahre am Frankfurter Flughafen im Passagierservice und als Lehrgangsleiterin in einem Schulungszentrum. Elke Seidel wohnt in Frankfurt. Ihre beiden Katzen Fritzi Kullerkopf und deren Freund Rüdiger adoptierte sie in einem Tierheim.
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