Josef Schöchl: Der Rabe und der schlechte Leumund. Verblüffendes aus dem Reich der Tiere

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Vandam
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Josef Schöchl: Der Rabe und der schlechte Leumund. Verblüffendes aus dem Reich der Tiere

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Josef Schöchl: Der Rabe und der schlechte Leumund. Verblüffendes aus dem Reich der Tiere. Salzburg 2022, Verlag Anton Pustet, ISBN 978-3-7025-1057-2, Hardcover, 158 Seiten, mit über 70 Farbfotos, Format: 17,7 x 2 x 24,6 cm, EUR 25,00.

„An Anfang des Buches stand mein ungläubiges Staunen über die Fähigkeiten der Tiere und der Wunsch, dieses Staunen zu teilen. Im Lauf der Jahrmillionen haben Tiere eindrucksvolle körperliche Anpassungen vollzogen, um das eigene Überleben, ihre Vermehrung, die Weitergabe ihrer Gene und den Fortbestand ihrer eigenen Art zu sichern.“ (Seite 11)

Erstaunliche Fähigkeiten, geniale Strategien
Erst habe ich gedacht, ich bekomme ein Buch über Raben. Das wäre mir auch willkommen gewesen. Aber der „Titelstar“ ist hier nur einer von vielen tierischen Helden. Mehr als 70 Tierarten hat der Autor hier porträtiert – mit besonderem Augenmerk auf ihre erstaunlichen und genialen Strategien, mit denen sie sich in ihrer Lebensumwelt behaupten. Vom Apothekerskink, der im Sand regelrecht schwimmen kann, über den Karnevalstintenfisch, der das Mimikry auf eine ganz neue Ebene hebt sowie den Nacktmull, der die ewige Jugend gepachtet zu haben scheint bis hin zum Zitronenfalter, der mittels „selbstgemischtem“ Frostschutzmittel überwintert.

Das Buch ist eine Fundgrube an kuriosen Fakten und „unnützem“ aber dennoch faszinierendem Wissen. Anders als bei vielen ähnlichen Werken muss man hier auch nicht rätseln, nach welchen Kriterien der Verfasser die Kapitel angeordnet hat: Prof. Dr. Schöchl hat die Tiere schlicht und edel nach dem Alphabet sortiert. Jeder Tierart in dem Band sind maximal eineinhalb Seiten Text und ein Farbfoto gewidmet. So entstehen kleine, überschaubare und gut verständliche Informationshäppchen, die sich in beliebiger Menge genießen lassen.

Sandschwimmer und Wasserläufer
Wie schafft es nun der Apothekerskink, ein 20 cm langes Reptil aus den Wüsten Nordafrikas, tief im Sand zu „schwimmen“ und dabei zu atmen, ohne Sandkörnchen in die Lunge zu bekommen? Und wieso wird seine Haut bei dieser Fortbewegungsart nicht abgeschmirgelt? – Wie kann der Basilisk, eine Leguan-Art, übers Wasser laufen? – Der Eisenplattenkäfer trägt seinen Namen zu Recht. Sein spezielles Exoskelett kann nicht aufgebrochen werden. Sogar Autos können den Käfer überfahren und er krabbelt einfach munter weiter.

Mit seinen rund 400 Jahren ist der Eishai das älteste bekannte Wirbeltier. Was ist sein „Erfolgsgeheimnis“? – Wer hätte gedacht, dass junge Erdmännchen einen Schulunterricht durchlaufen? – Und was, bitte, ist eine „Fanghafte“ und wieso trägt eine von ihnen so einen albernen lateinischen Namen? – Man sollte es nicht für möglich halten, was die gefährlichsten Augenblicke im Leben eines Dreifingerfaultiers sind. Und wie gelingt es eigentlich dem Fregattvogel, wochenlang ununterbrochen in der Luft zu bleiben? Er schläft sogar im Flug!

Mit den Füßen atmen
Warum vergiften sich Geier nicht, wenn sie Aas fressen? – Weshalb fällt die Giraffe beim Trinken nicht in Ohnmacht? – Goldhamster kennt man tatsächlich erst sein 1930? Man hat doch das Gefühl, dass es sie schon immer als Haustiere gegeben hat! – Gürteltiere sind mit Ameisenbären und Faultieren verwandt? Der Klippschliefer zählt Elefanten und Seekühe zu seiner Sippe? – Kellerasseln gehören zu den Krebsen, atmen mit Kiemen und – kein Witz! – mit Behelfslungen an den Hinterbeinen!

Der südamerikanische Hoatzin ist aus verschiedenen Gründen ein ganz besonderer Vogel: Flügelkrallen, schwimmfähige Küken und ein Verdauungssystem, das ihm den Beinamen „Stinkvogel“ eingebracht hat. – Der Kolibri kann rückwärts fliegen und Komodowaraninnen beherrschen die Jungfernzeugung: Sie können ohne Männchen Junge bekommen. Der Leberegel hat eine Fortpflanzungsmethode, die aus einem Horrorfilm entsprungen zu sein scheint. Der Mähnenwolf frisst Pflanzen und riecht wie eine Marihuana-Plantage.

Nicht nur Insekten bilden Staaten
Nacktmulle – eine afrikanische Nager-Art – leben in Staaten wie Insekten, nur ihre Königin kriegt Junge. Sie empfinden keinen Schmerz, bekommen keinen Krebs, kennen keinen körperlichen Verfall und keine Alterserscheinungen. Die mausgroßen Nager können rund 20 Jahre alt werden, Mäuse nur ungefähr 2. – Wozu dient der einzelne Stoßzahn bei den Narwalen? – Was ist das Besondere am Blut der Pfeilschwanzkrebse (außer dass es blau ist)? – Es gibt auch Quallen, die Staaten bilden? Wie geht das im offenen Meer? Und es gibt einen Vogel, der seine Beute zu Tode tritt? Känguru-Weibchen haben zwei voneinander unabhängige Gebärmütter? Das ist ja schon alles ein bisschen irre, oder?

Unfassbar finde ich die architektonischen Leistungen der Termiten und die komplexen baulichen Maßnahmen, die die Thermometerhühner ergreifen, um nicht selbst brüten zu müssen. Wäre es nicht einfacher, wenn sie sich auf die Eier setzen würden? Aber das müssen die Hühner wissen! – Und warum die seltenen Weinbergschnecken mit linksdrehenden Häuschen sich nicht mit normalen Artgenossen mit rechtsdrehenden Häuschen paaren können, erfahren wir auch.

Staunenswerte Info-Häppchen
Ich liebe ja Bücher, die die Leser:innen ein kleines bisschen schlauer machen, auch wenn man mit dem erworbenen Wissen nicht unmittelbar was anfangen kann. Verblüffend, staunenswert und unterhaltsam sind diese leicht verdaulichen Informationshappen, die uns der Autor hier serviert, auf jeden Fall.

Manches Mal wünscht man sich detaillierteres Bildmaterial. Für jedes Tier gibt es ein Symbolfoto. Die Abbildungen stammen überwiegend aus Bilddatenbanken. Manches, was im Text beschrieben wird, hätte man aber schon gerne gesehen, z.B. die Staatsquallen, die Innereien des Glasfroschs, [/B] den Bruthügel der Thermometerhühner, die „Waffen“ des Steinfischs oder eine Bola-Spinne in Aktion.

Wunder der Natur
Wer Näheres wissen will, wird schon googeln müssen. Das Buch hat auch gar nicht den Anspruch, umfassende Informationen über alle möglichen Tierarten zu liefern, sondern präsentiert uns eine Auswahl an interessanten „Appetithappen“, die uns dazu anregen soll, uns mit der verblüffenden Vielfalt und den Wundern der Natur ausführlicher zu beschäftigen. Und das kriegt es ziemlich gut hin. 😉

Der Autor
HR Prof. Dr. Josef Schöchl, geboren 1959 in Salzburg-Parsch als Sohn von Lebensmittelkaufleuten. Studium der Veterinärmedizin in Wien, 1986 Promotion. Amtstierarzt beim Magistrat Salzburg und beim Amt der Salzburger Landesregierung. 1994 Bestellung zum Landesveterinärdirektor. Viele Jahre verschiedene Funktionen im Zoo Salzburg, Kuratoriumsvorsitzender des Hauses der Natur Salzburg – Museum für Natur und Technik. Seit 2009 Abgeordneter zum Salzburger Landtag.
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