Lisa Straubinger: Schwarz Wald Nacht, Kriminalroman

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Vandam
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Lisa Straubinger: Schwarz Wald Nacht, Kriminalroman

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Lisa Straubinger: Schwarz Wald Nacht, Kriminalroman, Köln 2022, Emons-Verlag, ISBN 978-3-7408-1446-5, Softcover, 255 Seiten, Format: 13,4 x 2,2 x 20,2 cm, Buch: EUR 12,00 (D), EUR 12,40 (A), Kindle: EUR 9,49.

Vor neun Jahren hat Sanne Stoll, heute 27, bei Nacht und Nebel den elterlichen Bauernhof im Schwarzwald verlassen. Sie hat die Misshandlungen und den fortgesetzten Missbrauch durch ihren Vater nicht mehr ausgehalten. Ihre Mutter hat weggesehen und wollte ihr nicht helfen, ihr Bruder Matthias war zu jung um einzuschreiten und die Oma zu alt.

Flucht aus dem Elternhaus
Sannes Versuch, ihren Vater beim Dorfpolizisten Jochen Trautwein anzuzeigen, scheitert damals kläglich. Sie kann ihre Tatvorwürfe nicht beweisen, und Trautwein glaubt lieber seinem Freund und Stammtischbruder Richard Stoll als dessen Teenager-Tochter. Er will nicht einmal das Jugendamt verständigen, damit wenigstens Sannes kleiner Bruder aus diesen Verhältnissen herauskommt. Gar nichts unternimmt er! Er bezichtigt die junge Frau der Lüge und schmeißt sie raus. Sie verschwindet noch in derselben Nacht und die Familie hört nie wieder was von ihr. Ihr Versprechen, zurückzukommen und Matthias zu holen, kann sie aus verschiedenen Gründen nicht einlösen.

Neun Jahre nach Sannes Flucht stirbt ihre Großmutter – die einzig Normale in diesem Haufen! – und als Matthias ihre Unterlagen sichtet, findet er dort Briefe seiner Schwester. Offenbar waren die beiden die ganze Zeit heimlich in Kontakt. Jetzt hat er wenigstens ihre Adresse und kann sie über den Trauerfall informieren. Womit niemand gerechnet hat: Sanne kommt tatsächlich zur Beerdigung!

Unter Mordverdacht
Diesen Entschluss bereut sie schnell, nicht nur weil ihr überall Feindseligkeit entgegenschlägt. Eine verschreckte junge Frau läuft ihr vors Auto und verschwindet dann im Wald. Als Sanne ganz aufgelöst im Dorf von diesem Beinahe-Unfall berichtet, passiert das gleiche wie damals, als sie ihren Vater anzeigen wollte: Nichts. Man glaubt ihr nicht und niemand will die Frau in Not suchen. Es kommt noch schlimmer: Nachdem man eine Tote gefunden hat, die aussieht, wie die von Sanne Beschriebene, gerät sie als Zeugin selbst unter Mordverdacht. Die Logik der Dörfler: Das Böse kann nur von außen kommen. Die Unbekannte ist ermordet worden, nachdem Sanne wieder zurückgekehrt ist. Also muss es ihre Schuld sein.

Die auswärtige Kriminalkommissarin Petra Wolf hält das für vollkommen absurd. Sanne Stoll mag für die Polizei kein unbeschriebenes Blatt sein und das eine oder andere zu verbergen haben, aber es spricht so vieles gegen sie als Täterin!

Dorfsheriff mit Gewissensbissen
Langsam dämmert Dorfsheriff Trautwein, dass er einiges versaubeutelt hat. Damals, als er seine Freundschaft zu Richard über seine beruflichen Verpflichtungen gestellt und im Fall Stoll nicht ermittelt hat – und jetzt wieder, weil er Sanne die Sache mit der panischen Frau im Wald nicht geglaubt hat. Wenn sie diese Frau gleich gesucht hätten, wäre sie vielleicht noch am Leben! Doch Trautwein hängt viel zu tief drin in der örtlichen Vetternwirtschaft, als dass er jetzt noch das Ruder herumreißen könnte. Also wurstelt er weiter wie gehabt, sieht nichts, hört nichts und sagt nichts.

Wir Leser:innen wissen von Anfang an, dass der Mörder unter den Dorfbewohnern sein muss und dass die junge Frau kein Zufallsopfer war. Wir kennen aber weder die Identität des Täters noch die des Opfers.

Sanne ermittelt selbst
Zumindest, was das Opfer angeht, ist Sanne allen bald einen Schritt voraus. Da sie nicht als mordverdächtig gelten will, der Polizei aber nicht über den Weg traut, sucht sie nämlich selbst nach dem Täter. Dass das keine gute Idee ist, hätte ihr jede:r Krimileser:in vorher sagen können!

Eine Fundsache bringt sie auf die Spur der Toten und sie stößt auf schreckliche Familiengeheimnisse, von denen sie lieber nichts gewusst hätte. Das wäre auch dem Mörder lieber gewesen. Viel zu dicht ist Sanne ihm auf den Fersen, ohne es selbst zu ahnen. Und plötzlich ist sie verschwunden ...

Zum Glück ist wenigstens Kommissarin Wolf auf Zack. Die Dörfler, allen voran der unfähige Polizist Jochen Trautwein, sind nur froh und erleichtert, die lästige Fremde wieder los zu sein. Aber wenn sie geglaubt haben sollten, mit Sannes Verschwinden sei alles wieder im Lot, haben sie sich getäuscht: Nichts wird mehr so sein wie es war. Nicht nur Trautwein wird sich unbequemen Wahrheiten stellen müssen ...

Auf den Leim gegangen
Routinierte Krimileser:innen ahnen bald, wer die Frau im Wald umgebracht hat. Die Tatperson hat Sanne und ihr Auto in Wald gesehen, und etwas an der Art, wie das beschrieben wird, hat mich hellhörig werden lassen. Das Motiv wird erst später klar, zumindest, wenn man sich von der Autorin aus dem Zentrum des Geschehens locken lässt. Ich gestehe, dass ich ihr voll auf den Leim gegangen bin. ;-)

Die Geschichte ist düster, die Stimmung im Dorf beklemmend. Alle sind miteinander verbandelt und kaum etwas bleibt geheim. Wer von außen kommt, ist der Feind und wer das Dorf verlässt, ein Verräter. Irgendwie sind hier alle böse und/oder gestört. Unwillkürlich denkt man an Inzest und Inzucht. Das war mir schon ein bisschen zu viel, vielleicht auch, weil es keinerlei befreiende Komik gibt.

Auftakt zu einer Serie?
Meinetwegen hätte die Kommissarin nicht auch noch eine tragische Familiengeschichte haben müssen. Ein nörgelnder Gatte, für dessen Dafürhalten sie zu viel arbeitet, hätte es auch getan. Aber vielleicht ist SCHWARZ WALD NACHT auch ein Serienauftakt und die Geschichte der Familie Wolf zieht sich wie ein roter Faden durch die weiteren Bände. Das ist nur eine Vermutung.

Ich bin kein großer Fan des Buchtitels. Die finstere Gefühlslage in diesem Roman gibt er gut wieder, aber für mich sieht er trotzdem aus wie das Wort „Schwarzwaldnacht“ mit zwei Deppenleerzeichen.

Spannend aber düster
Spannend (und gut durchdacht) ist der Krimi zweifellos. Und das ist ja seine Hauptaufgabe! Sollte es tatsächlich weitere Bände mit Kommissarin Wolf geben, wäre ich wieder dabei.

Die Autorin
Lisa Straubinger wurde 1993 in Ostfildern geboren und hat schon früh ihre Begeisterung für das Erzählen von Geschichten entdeckt. Hätte sie sich nicht für eine Ausbildung als Industriekauffrau entschieden, wäre sie Fotografin, Weltenbummlerin oder Juwelendiebin geworden. Momentan arbeitet sie bei einem mittelständischen Unternehmen als Logistikerin, ihre Leidenschaft gilt aber dem Verfassen von Geschichten. Sie hat über ein Dutzend Kurzgeschichten veröffentlicht und 2019 den Ralf-Bender-Krimipreis für den originellsten Mord gewonnen.
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