Elke Weiler: Rindviecher im Nebel. Ein Landkrimi, ein Nordseekrimi, ein Hundekrimi

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Vandam
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Elke Weiler: Rindviecher im Nebel. Ein Landkrimi, ein Nordseekrimi, ein Hundekrimi

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Elke Weiler: Rindviecher im Nebel. Ein Landkrimi, ein Nordseekrimi, ein Hundekrimi, Meßkirch 2022, Gmeiner Verlag, ISBN: 978-3-8392-0187-9, Klappenbroschur, 278 Seiten, Format: 13,5 x 2,5 x 20,6 cm, Buch: EUR 15,00 (D), EUR 15,50 (A), Kindle: EUR 11,99.

„Wenn ich so darüber nachdachte, wussten wir eigentlich viel. Wir hatten die Leiche entdeckt. Wir wohnten in der Nähe und konnten jederzeit die entsprechenden Orte checken. Wir hatten gute Kontakte. Wir hatten quasi aus erster Hand von der Obduktion erfahren. Nur hatten wir die Puzzleteile noch nicht korrekt zusammengesetzt.“ (Seite 245)

Ich-Erzählerin in diesem Buch ist Bearded Collie Julchen (8), die in der Hündin der Autorin ein reales Vorbild hat. Und weil so ein Tier sich auf Menschendinge einen ganz eigenen Reim macht, muss man als Leser:in erst einmal ein paar Vokabeln lernen, um aus Julchens Ausführungen überhaupt schlau zu werden. Das hat man aber schnell drauf.

Bauer Thule ist verschwunden
Julchen lebt mit ihrem „Rudel“ – Madame et Monsieur, Rüde Janni sowie 3 Hennen auf der Nordseehalbinsel Eiderstedt. Hier kennt man seine Nachbarn und kümmert sich umeinander. Als der Hof des Bauern Thule menschenleer vorgefunden wird, mit offen stehenden Türen und frei laufenden Rindern, sind Freunde und Bekannte verwirrt und besorgt. Nie hätte der pflichtbewusste Mann seine Tiere im Stich gelassen und sich unangekündigt vom Acker gemacht! Da muss etwas passiert sein.

Die Polizei will in dieser Angelegenheit nichts unternehmen. Thule ist erwachsen und bei Verstand, er kann sich aufhalten, wo er will. Julchen und ihr Rudel bezweifeln allerdings, dass er den Hof freiwillig verlassen hat. Und so ermitteln sie selbst. Eine blutige Harke, eine Blutspur auf der Weide sowie ein Paar Gummistiefel, das nicht Thule gehören kann, sprechen eher für Fremdeinwirkung.

Collie Julchen ermittelt
Die Hobbyschnüffler sollen leider recht behalten: Der vermisste Bauer treibt tot im Hafenbecken. Doch auch jetzt macht sich die Polizei nicht viel mit der Sache zu tun. Schulterzuckend wird sein Tod als Unfall oder Suizid abgetan, und damit ist der Fall für sie erledigt. Julchen, die sich zusammen mit Madame unzählige Fernsehkrimis angesehen hat, will das nicht akzeptieren. Und auch Nele, Thules Ex-Ehefrau, glaubt an ein Verbrechen. Sie setzt durch, dass der Leichnam obduziert wird. Und siehe da: Ihr Ex ist gar nicht ertrunken ...!

Weil die Menschenpolizei trotzdem nicht aus dem Quark kommt, nimmt Julchen, die selbst ernannte „beste Schnüfflerin Nordfrieslands“ (Seite 48), die Ermittlungen in die eigenen Pfoten. Das ist gar nicht so einfach. Zwar kann sie sich als Tier Zugang zu Orten verschaffen, die gesetzestreuen Zweibeinern nicht so leicht zugänglich sind, aber das bringt nicht viel, wenn sie ihre Erkenntnisse den Menschen nicht begreiflich machen kann. Und die sprechen nun mal sehr schlecht hundisch. Auch sonst ist die artenübergreifende Kommunikation problematisch. Thules Tiere wissen unter Garantie, was sich auf dem Hof abgespielt hat, aber Julchen versteht nicht, was die Kühe und Hühner ihr mitteilen wollen.

Viele Verdächtige!
Klar ist nur – und auch Madame et Monsieur sehen das so – dass sich mehrere Menschen ziemlich verdächtig machen: Thules Exfrau Nele, selbst wenn sie die Obduktion veranlasst hat, ihr Lebensgefährte Finn, der zwielichtige Immobilienmakler Hinnerk ... sogar Thules Freund und Nachbar Tamme und seine Frau scheinen mehr zu wissen, als sie zugeben wollen. Und weshalb hat Radfahrerin Bente ihre Beobachtungen nicht gleich der Polizei gemeldet? Für Julchen und ihre Menschen fühlt es sich gar nicht gut an, so viele Leute, die sie kennen und mögen, auf einmal des Mordes zu verdächtigen.

Julchen & Co. tun ja ihr Möglichstes, um heimlich zu ermitteln, stellen sich dabei aber meist so ungeschickt an, dass ihre Absichten schnell erkennbar werden. Der Konsum von Fernsehkrimis macht aus naseweisen Amateuren eben doch keine professionellen Detektive.

Krimitechnisch Luft nach oben
Die losen Enden verknüpft schließlich die „Grandmadame“ (Mutter/Schwiegermutter), die zu Besuch beim Rudel weilt. Noch ehe das Essen aufgetragen ist, hat sie sich aus den Erzählungen ihrer Angehörigen zusammengereimt, was an jenem Abend auf Thules Hof passiert sein muss. Und ihre Theorie klingt sehr plausibel. Zweifellos ist sie eine kluge Frau. Für mich als Leserin kam diese Auflösung jedoch ein bisschen plötzlich. Alle anderen tun da wochenlang rum und die Mutter kommt zur Tür rein und klärt mal fix den Fall auf! In Bezug auf die Krimihandlung wäre hier noch Luft nach oben gewesen.

Stimmungsvoll und witzig
RINDVIECHER IM NEBEL ist eher eine stimmungsvolle und witzige Beschreibung des Landlebens in der Marsch als ein spannender Kriminalroman. Die Landschaftsbeschreibungen sind großartig! Doch ich hatte die ganze Zeit den Eindruck, es müsse eine Vorgeschichte geben, die mir nur nicht bekannt ist. Ich habe tatsächlich ein Momentelchen gebraucht um zu kapieren, dass Janni auch ein Hund ist. :-D

Immer wieder werden vergangene Ereignisse angerissen, als hätte man darüber schon einmal ausführlich berichtet. Ich vermute, das steht/stand alles in den drei Hunde-E-Books der Autorin, die jetzt nicht mehr erhältlich sind. Dort wird vielleicht auch erklärt, was es mit der Psychologin/Psychotherapeutin „Mademoiselle Julie“ auf sich hat. Hält Hündin Julchen sich für eine solche? Ich habe das in diesem Buch nicht ganz begriffen.

„Insider-Job“
Die RINDVIECHER sind unterhaltsam aber in sehr gemächlichem Erzähltempo unterwegs. Und das Gefühl, dass Julchen sich mit ihren Geschichten an Insider wendet, zu denen ich nicht gehöre, hat mich stets begleitet.

Die Autorin
Die Kunsthistorikerin und ehemalige Reisejournalistin Elke Weiler hat Reise-, Hunde- und Architekturbücher verfasst und widmet sich in Zukunft der Fiktion. Gerade ist ihr erster Kriminalroman erschienen.
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