Helge Lange: Chronoport.

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Eguzkia
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Helge Lange: Chronoport.

Beitrag von Eguzkia »

Helge Lange: Chronoport.
ISBN 978-3-945712-86-0
Zossen: Edition Solar-X 2022. 312 S. Kartoniert.
13.- Euro

In diesen Zeiten der Verunsicherung, in denen es mancher gerne möglichst klar und übersichtlich (um nicht zu sagen: simpel) hätte, verlangt Helge Lange seinen Figuren und seiner Leserschaft eine hohe Ambiguitätstoleranz ab (wobei dieser hochgestochene Ausdruck der teilweisen Schlichtheit der Sprache nicht gerecht wird), also das Aushalten von Uneindeutigkeit. Die Protagonisten reisen durch Zeit und Raum, wenn auch stets auf den Planeten Erde beschränkt, und wissen von Sprung zu Sprung oft nicht mehr so recht, wer sie sind und worin ihr Auftrag besteht (nichts weniger als die Rettung der Welt). Zum Glück liegt im Safe ihrer beiden Schiffe (sowas wie Zeitreise-Yachten) ein Vademecum, das ihnen immer wieder auf die Sprünge hilft.
Zeitreisen sind für sie durchaus Stand der Technik, aber man switcht gewöhnlich dabei nicht nur in der Zeit, sondern auch jeweils in eine parallele Existenz, womit die klassischen Probleme (z.B. das Großvaterparadoxon) verhindert werden. Doch nun hat irgendeine Zivilisation aus der fernen Zukunft einen linearen Zeitreisestrahl eingerichtet, mit Chronoports in allen möglichen Zeiten und Kulturen, und diese Linearität ruft eben solche Paradoxien hervor und bedroht das Gefüge der Welt, ja des Universums. Im Prolog wurden wir darauf vorbereitet, dass dieser Zeitreisestrahl von beiden Enden her ausgeschaltet werden soll, den Besatzungen der Schiffe wird das erst so allmählich klar; nur wo/wann liegen diese Endpunkte, und wie soll das überhaupt funktionieren? Dürfte es die Installation bei einem zukünftigen Erfolg ihrer Mission in der jeweiligen Gegenwart überhaupt noch geben?
Der Autor hält sich völlig heraus. Was an Rückblicken auf die Geschichte der besuchten Kulturen zu lesen ist, haben die Besatzungsmitglieder selbst recherchiert. Rein gar nichts wird aus der Perspektive des allwissenden Autors erzählt, und das ist erfrischend konsequent durchgehalten und für mich ein großes Plus dieses Buches. Die Heldinnen und Helden (darunter der sehr saloppe Kapitän Ariman Mellock von der "John Titor", die eher formale Kapitänin Helena Hermelin von der "Rip van Winkle", die Löwenfrau Jiyun, der Roboter 25Bronze11, der Geist Ramesse, der/die zweigeschlechtliche Elnor Meko ...) müssen alles selbst herausfinden – und haben es möglicherweise beim nächsten Sprung wieder vergessen.
Diese Ebene der überaus fantasievollen Story, in der auch Sex und Action nicht zu kurz kommen, macht das Buch zu einem Lesevergnügen.
Leicht getrübt wurde es mir persönlich lediglich durch die nicht immer elegante Sprache (ich mag es halt, wenn ein Text durchgeschliffen ist und jedes Wort sitzt). Man tendiert ja beim Schreiben dazu, ein eben verwendetes Wort gleich wieder zu bringen, weil es im Geiste präsent ist. Solche – in diesem Buch m.E. auffällig häufige und ungewollte – Wiederholungen bemerkt man selbst oft nicht, es sei denn der Text konnte ruhen und wurde mit etwas zeitlichem Abstand überarbeitet. Diesen Feinschliff vermisse ich hier, trotz des sorgfältigen Lektorats, dem kaum ein "richtiger Fehler" entgangen ist. Entweder fehlte hier die Zeit zur stilistischen Überarbeitung – oder die Erkenntnis einer solchen Notwendigkeit. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht aber auch einfach nur zu pingelig.
Die Dialoge sind hingegen sehr gelungen, die besuchten Zivilisationen außerordentlich originell.
Ich habe das Buch zweimal mit Vergnügen gelesen. Die Story und ihre teils schrägen Figuren, die einem zusehends ans Herz wachsen, machen es zu einem empfehlenswerten Schmökerstoff für Science-Fiction-Liebhaber.
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