Heike Abidi: Scheißegal, ich mach das jetzt! Mitten im Leben neu durchstarten

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Vandam
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Heike Abidi: Scheißegal, ich mach das jetzt! Mitten im Leben neu durchstarten

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Heike Abidi: Scheißegal, ich mach das jetzt! Mitten im Leben neu durchstarten, Igling 2022, echtEMF, Edition Michael Fischer GmbH, ISBN 978-3-7459-1269-2, Softcover, 272 Seiten, Format: 13,2 x 3,7 x 20,1 cm, Buch: EUR 13,00 (D), EUR 13,40 (A), Kindle: EUR 11,99.

„Früher dachte ich immer, wenn man erwachsen ist, dann ist man fertig. Aber das ist man zum Glück nie. Man hört nie auf, sich zu entwickeln. Und das ist großartig! (Seite 254)

Als Kind wunderte sich die Autorin darüber, dass Udo Jürgens sang „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“. Was sollte bei Menschen wie ihren Großeltern noch anfangen? Das waren doch alte Leute, da kam nichts mehr Neues! Die Großeltern sahen das zum Glück anders und verblüfften die Familie mit überraschenden Aktivitäten und Projekten.

Dass sich Umstände, Prioritäten und Interessen in jedem Lebensalter ändern können, ist der Autorin natürlich längst klar geworden. Sie ist ja selbst ein gutes Beispiel dafür. Obwohl sie von sich behauptet, eher langweilig zu sein, hat sie mit Mitte 40 den Sprung von der Werbetexterin zur Bestseller-Autorin geschafft. Und sie kennt, nicht erst seit der Recherche für dieses Buch, einige Menschen, die im mittleren Alter aus ganz unterschiedlichen Gründen eine radikale Kehrtwende in ihrem Leben vollzogen haben.

Keine Sorge! Von uns Leser:innen verlangt niemand, es Heike Abidis Interviewpartner:innen gleichzutun. Wir müssen nicht Wohnort, Partner oder Beruf wechseln oder mit ganz neuen Freizeitbeschäftigungen beginnen. Aber wir könnten, wenn wir wollten – wie die Menschen in diesem Buch, die uns von ihren Erfahrungen berichten.

Neue Lebenssituationen
Wohnst du noch dort oder lebst du schon anders?

Als ihre Kinder erwachsen sind, überlegen sich Tom und Lena, ihr Haus zu verkaufen und sich eine barrierefreie Eigentumswohnung fürs Alter zuzulegen. Aber dafür fühlen sie sich eigentlich noch zu jung. Stattdessen erwerben sie ein baufälliges historisches Gemäuer und stürzen sich mit Feuereifer in dessen aufwändige Sanierung. – Nadja sucht sich den Wohnort für ihren Neuanfang nach einer sehr rationalen Checkliste aus. – Angelika reduziert radikal ihren Besitz, zieht vom Reihenendhaus in einen Camper und ist glücklich damit. Dieses Immer-mehr-haben-Wollen brauche sie nicht mehr, erklärt sie.

Andere wechseln zum Wohnort gleich noch den Partner, sei es, weil die „Midlife-Crisis“ zugeschlagen hat oder weil sie nicht mehr gewillt sind, unhaltbare Zustände weiter hinzunehmen. So wie Simone, die einsehen muss, dass die Ehe mit ihrem alkoholabhängigen Partner nicht mehr zu retten ist und er nicht bereit ist, sich helfen zu lassen. – Uli verschlägt der Zufall nach Indien, wo er eine Familie gründet und bleibt. – Stefan hat schon als Schüler vom Auswandern geträumt und zieht mit 43 Knall auf Fall nach Schweden.

Die Menschen aus diesen Beispielen haben vielfach den Vorteil, ihre Arbeit überall auf der Welt ausüben zu können, manche brauchen dazu nicht mehr als einen Computer und einen Internetanschluss. Ihre gesicherte Existenz nehmen sie also an ihren neuen Lebensmittelpunkt mit. Da haben es andere schwerer.

Da geht noch was: Neuer Job, neues Business
Bist du schon das, was du immer werden wolltest?

Auch beruflich kann man sich mit 40+ durchaus noch einmal neu erfinden und ganz neue Seiten an sich entdecken. Das zeigen die Beispiele in diesem Kapitel.

Alles, was mit Zahlen und Finanzen zu tun hat, war dem Filmemacher Anton stets von Herzen zuwider. Als er sich mit Ende 40 selbstständig macht, kann er sich nicht länger vor diesem Themenbereich drücken und stellt erstaunt fest, dass ihm Buchhaltung nicht nur liegt, sondern sogar Spaß macht! Und auch in anderen Lebensbereichen sagt der seiner bisherigen Vermeidungsstrategie den Kampf an. „Menschen, die pausenlos neue Dinge tun, bleiben jung“, findet er. (Seite 119)

Annette und Tanja, beide 50+, hatten gar nicht die Absicht, eine Firma zu gründen, schon gar nicht miteinander. Es hat sich einfach so ergeben. Bei der gemeinsamen Organisation einer Veranstaltung haben sie gemerkt, dass sie nicht nur ein tolles Team sind, sondern dass ihr Service sehr gefragt ist. Sie haben sich zusammengetan und es läuft prima. Immer wieder stehen sie vor neuen Herausforderungen. In dem Zusammenhang fand ich Tanjas Aussage klasse: „Wir arbeiten beide nach dem Pippi-Langstrumpf-Motto: Das hab ich ja noch nie gemacht, das wird bestimmt toll.“ 😊 (Seite 129)

Warum sollte eigentlich jeder Chef werden wollen?

Und wenn so eine berufliche Veränderung schiefgeht? Ilona hat das erlebt. Ihr hat Corona einen dicken Strich durch ihren Neustart gemacht und sie hat eine Menge Geld verloren. Das ist natürlich äußerst unerfreulich, aber sie sagt, sie habe viel aus ihrem Scheitern gelernt. Sollte sie noch einmal ein eigenes Business aufziehen, dann kennt sie die Fallstricke und weiß, was sie anders machen muss.

Ich habe mich mein Berufsleben lang gefragt, warum eigentlich jeder Chef werden wollen soll. Ich hätte es als Strafe empfunden, nicht mehr das machen zu dürfen, was ich gut kann, sondern mich in Besprechungen und mit Mitarbeiterführung herumplagen zu müssen. Auch Paul fragt sich in diesem Kapitel: „Warum sollte ich vorankommen, wenn ich schon genau da bin, wo ich sein will?“ (Seite 138) Er hat das mit der Beförderung probiert, aber nach zwei Jahren wieder rückgängig gemacht. Es war einfach nicht sein Ding. Auch wenn das in seinem Umfeld nicht alle verstanden haben: Meinen Respekt hat er!

Es gibt hier noch viele weitere hochinteressante und inspirierende Beispiele für berufliche Neuorientierung. Und alle Beweggründe und Entwicklungen kann man nachvollziehen. Die Dozentin Sonja – die als zahnmedizinische Fachangestellte ins Berufsleben gestartet ist –, bringt die Sache meines Erachtens auf den Punkt:

„Grundsätzlich finde ich, man ist nie zu alt für eine Veränderung. […] Da gibt es kein Limit. Schwierig wird es, wenn man Verantwortung für andere trägt, sprich Kinder. Die von einem abhängig sind und nicht für sich selbst sorgen können. […] Vielleicht ist das der Grund dafür, dass das mittlere Alter für Veränderungen besonders prädestiniert ist.“ (Seite 191)

Arabisch, Boxen, Cosplay? Neue Leidenschaften
Es muss nicht immer ein Kreuzworträtsel sein

Dass man kaum je zu alt ist, um mit etwas Neuem zu beginnen, schließt auch die Freizeitgestaltung ein. Im letzten Kapitel sehen wir mit Staunen, welche Hobbys und Leidenschaften manche Menschen mit 40+ ganz neu für sich entdecken: Laufen, Musizieren, Fotografieren oder die Mitarbeit bei Tierschutzprojekten in Afrika … Ich hatte ganz vergessen, dass ich mich zu dem Thema auch geäußert hatte und habe überrascht festgestellt, dass mir und meiner Tiergeschichten-Seite eine ¾ Seite gewidmet wurde.

Das Schöne ist, dass einem niemand vorschreiben kann, wie man seine Freizeit verbringen soll. Oder, wie Heike Abidi es formuliert: „Ach, mach doch einfach, was du willst! Hauptsache, du hast Spaß“. (Seite 264)

Inspiration, Mut und Bestätigung

Ich hatte nie Zweifel daran, dass man sich im Leben jederzeit verändern kann und darf, wenn man dies möchte. Manchmal bleibt einem ja auch gar nichts anderes übrig. Wer mit dem Gedanken spielt, etwas Neues anzufangen und noch ein paar Denkanstöße oder ein bisschen Mut und Inspiration braucht, wird das in diesem Buch finden. Heike Abidi stellt die richtigen Fragen, die einen zum Nachdenken bringen … über das eigene Leben, über Wünsche, Träume, Ziele, Pläne, Sorgen, Hoffnungen, Bedenken …

Unterhaltsam ist diese Lektüre auch. Ich entdecke ja gerne, wie andere Menschen ihr Leben leben und freue mich, wenn ich auf verwandte Geister treffe oder von Personen, die völlig anders ticken als ich, etwas Neues lerne.

Wirklich und wahrhaftig dachte ich dieser Tage bei einem Gespräch über eine wichtige Entscheidung an den Titel dieses Buchs: „Scheißegal, ich mach das jetzt!“ Gesagt habe ich’s nicht. Aber ich werde mein Vorhaben durchziehen.

„Es ist unsere Entscheidung, ob wir offen für neue Dinge bleiben und noch etwas erleben wollen. Und eins kannst du mir glauben: Solange wir das tun, sind wir nicht alt. Jedenfalls nicht so richtig.“ (Seite 13)

Die Autorin

Heike Abidi (*1965) lebt in der Pfalz bei Kaiserslautern, wo die studierte Sprachwissenschaftlerin als freiberufliche Werbetexterin und Autorin arbeitet. Die mehrfache SPIEGEL-Bestsellerautorin schreibt vor allem Unterhaltungsromane und erzählende Sachbücher für Erwachsene sowie Geschichten für Jugendliche und Kinder.
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