Claus Beese: Kalle das Deichhörnchen (ab 6 J.)

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Vandam
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Claus Beese: Kalle das Deichhörnchen (ab 6 J.)

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Claus Beese: Kalle das Deichhörnchen (ab 6 J.), Chemnitz 2022, Elvea Verlag, ISBN 978-3-347-65693-2, Softcover, 144 Seiten mit s/w-Illustrationen, Format: 12,8 x 0,9 x 19,8 cm, Buch: EUR 12,00, Kindle: EUR 5,99.

Otterndorf an der Nordsee: Platzmeister Schröder vom Zeltlager auf dem Campingplatz ist im Umgang mit den Kids von heute offenbar nicht auf dem neuesten Stand. Früher mal mag es den Kindern Angst eingejagt haben, wenn er mit seinen Gruselgeschichten vor den gefährlichen Deichhörnchen warnte, die sich nachts am Wasser herumtreiben. Zur heutigen Zeit schreckt das die Kinder nicht von verbotenen nächtlichen Streifzügen ab, sondern weckt erst recht ihre Neugier. Die Hannoveraner Geschwister Jonas, Emma und Lukas sowie deren Kumpel Tim wollen jedenfalls wissen, was hinter Schröders Geschichten steckt und machen sich eines Nachts klammheimlich auf die Socken, um so ein Deichhörnchen kennenzulernen.

Da, ein Deichhörnchen!
Ja und tatsächlich: Da sitzt eins im Mondlicht auf einem Zaunpfahl, etwas größer und muskulöser als ein reguläres Eichhörnchen und bekleidet mit einem Matrosenkragen und einer weißen Seemannsmütze. Zur Erleichterung der Kinder ist es nicht bissig, sondern ziemlich geschwätzig. Deichhörnchen beherrschen offenbar die menschliche Sprache. Das Tier stellt sich als „Kalle“ vor und erklärt den Kids, was es mit seiner Art auf sich hat:

„In meiner Familie waren alle männlichen Vorfahren Seeleute. Das war allerdings zu den Zeiten, in denen die Schiffe aus Holz waren und hölzerne Masten trugen. Ihr kennt sicher den Ausdruck ‚Krähennest’? So bezeichneten die Seeleute früher den Mastkorb, in dem der Ausguck saß. Eigentlich hätte das Ding ‚Kobelhalter’ heißen müssen, denn wir [Deichhörnchen] bauten unsere Nester viel lieber da oben als die Krähen. Jedenfalls sind einige von uns auf diese Weise um die ganze Welt gereist.“ (Seite 27)

Ein neues Hausboot für Kalle
Aha, ein ehemaliger Seemann, also. Jetzt haust Kalle allerdings an versteckter Stelle auf einem morschen Boot, das ihm unter dem bepelzten Allerwertesten wegzufaulen droht. Als die vier Kinder am nächsten Tag zuschauen, wie das baufällige Kanalwärterhäuschen abgerissen wird, können sie gerade noch verhindern, dass eine funktionstüchtige Jolle samt Mast auf den Bauschutt wandert. Halt, stopp, nein! Das Ding können sie gebrauchen! Das wäre eine wunderbare neue Unterkunft für Deichhörnchen Kalle!

Der Schleusenwärtersohn hilft ihnen, die Jolle zu Wasser zu lassen, damit die vier damit zum Hafen paddeln können. Vom Segeln haben sie nämlich keine Ahnung. Wenn er geahnt hätte, dass die vier Landratten genau das vorhaben, sogar mitten in der Nacht, um Kalle sein neues „Hausboot“ zu bringen, hätte er das sicher zu verhindern versucht. Ahnungslos im Dunkeln mit einer unbeleuchteten Nussschale auf der Elbe herumzugurken ist wahrhaft lebensgefährlich! Diese nächtliche Aktion ruft prompt die Wasserschutzpolizei auf den Plan ...

Landratten auf dem Wasser
Kalle nimmt seine neue Behausung dankbar an. Doch dass die vier Kinder nicht segeln können, kann so nicht bleiben! Er beschließt, es ihnen beizubringen. Für diesen inoffiziellen Segelkurs müssen sie sich immer wieder heimlich vom Sommercamp entfernen. Zum Glück haben sie dort einen Verbündeten, der Kalle gut kennt.

Zuhause in Hannover werden sie von ihren Abenteuern mit dem Deichhörnchen leider nichts erzählen können, wenn sie nicht für total bekloppt gehalten werden wollen. Zum Glück ist auch im „Normalbetrieb“ des Sommercamps genügend los, von dem sie später ihren Freunden und Familien daheim berichten können. Dass zum Beispiel eine fünfzehnköpfige Zeltlager-Gruppe bei einem Ausflug nach Cuxhaven verlorengeht und der Camp-Leiter im Knast landet. So etwas passiert ja wohl nicht alle Tage!

Kalle ist verschwunden!
Doch dann wird das aufregende Zeltlager-Leben von schlechten Nachrichten überschattet: Kalle wird bald durch Baumaßnahmen den versteckten Liegeplatz seines „Hausboots“ verlieren. Wo soll er dann hin? Etwa aus Otterndorf wegziehen? Das will er auf gar keinen Fall! Und es kommt noch schlimmer: Plötzlich ist Kalle samt seiner „neuen“ Jolle verschwunden. Wie das? Er wäre außerstande, allein damit wegzusegeln. Ist ihm was Schreckliches zugestoßen? Hat man ihm etwas angetan?

Mit der Hilfe von zwei eingeweihten Erwachsenen machen sich die Kinder auf die Suche nach ihrem vermissten Freund und seiner Jolle. Werden sie Deichhörnchen Kalle heil und gesund wiedersehen? Wird er ein neues Zuhause finden, ohne seine bisherige Lebensweise aufgeben zu müssen? Das – und welche Rolle der Klabautermann dabei spielt – erfährt man in diesem Buch.

Spannung, Chaos und Humor
Ich bin eine absolute Landratte und verstehe nichts vom Segeln, aber ich liebe den feinen Humor in Claus Beeses Büchern. Und ich habe eine kindliche Freude daran, wenn er das Chaos so richtig toben lässt. Das Cuxhaven-Abenteuer der Sommercamp-Kids ist ein altersgerechtes Beispiel für so ein Spektakel. Normalerweise schreibt der Autor ja Bücher für ein erwachsenes Publikum.

Junge Leser:innen, die einen Bezug zur Region und/oder zum Segeln haben, dürften noch viel mehr Spaß an dieser Geschichte haben als ich, die ich überhaupt nicht zur Zielgruppe gehöre. Wenn man den Kindern das Buch in die Hand gibt oder vorliest, muss man als Erziehungsberechtigte:r nur aufpassen, dass sie nicht selbst nachts losziehen wie Jonas, Tim, Emma und Lukas im Buch und sich auf die Suche nach einem Deichhörnchen begeben.

Er will aber nicht nach Grönland!
Erfreulicherweise ist nicht das einzige Mädchen in der Gruppe die Ängstliche, wie man das sonst so aus Kinderbüchern kennt, sondern der Jüngste, Lukas. Er hat stets die Befürchtung, sie würden auf ihren Segeltouren von Hummern gefressen werden oder nach Grönland abtreiben – und das, wo er gar keine warme Jacke dabei hat! Als erwachsene:r Leser:in denkt man: „Ach je, der Ärmste!“ und möchte ihn am liebsten trösten und beruhigen. Doch alleine im Camp zurückbleiben, während seine Geschwister und Freunde draußen aufregende Dinge erleben, will er auch nicht. Also ist er als kleine Heulboje immer mit dabei.

Das Buch hat eine große, gut lesbare Schrift und ist damit auch für Lese-Neulinge geeignet. Gerne hätte ich den Urheber der schwarz-weiß-Illustrationen gewürdigt, aber er wird nirgendwo namentlich erwähnt. Das Cover hat Rainer Demattio gestaltet, vielleicht sind die Zeichnungen im Innenteil auch von ihm. Das kann ich aber nicht mit Bestimmtheit sagen. Dass das Buch ein spannendes und witziges Vergnügen für kleine und große Wasser- und Landratten ist, das erscheint mir aber sicher.

Der Autor
Claus Beese ist passionierter Wassersportler und Freizeitkapitän, sowie Autor humorvoller Bücher über die Abenteuer und Katastrophen an Bord von Segelyachten und Motorbooten. Maritime Kurzgeschichten, Gedichtbände, satirische Katzengeschichten sowie amüsante Kurzgeschichten aus seiner Kindheit bilden die inzwischen 32 eigenen unter Verlagsobhut veröffentlichten Bücher, sowie vier Anthologien, bei denen er als Herausgeber und Co-Autor wirkte.
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