Jodie Picoult - Beim Leben meiner Schwester

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sulky2806
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Registriert: Di 6. Okt 2009, 19:27

Jodie Picoult - Beim Leben meiner Schwester

Beitrag von sulky2806 »

Welchen Begriff soll ich verwenden, um zu beschreiben, wie dieses Buch mich bewegt hat? Welchen Ausdruck, den jeder nicht selbst gebraucht habt oder der jedem in den Sinn gekommen wäre? Die Kurzbeschreibung sagt eigentlich alles aus: „Beim Leben meiner Schwester“... ist starker Tobak. Das liegt nicht nur an dem aufwühlenden Plot, der den Leser Seite für Seite buchstäblich bis aufs Mark erschüttert - gerade weil er beide Positionen sehr gut nachvollziehen kann. Das liegt vor allem auch an der schonungslos offenen Sprache, in die Picoult ihre Geschichte gekleidet hat. Was ist der Wert des Menschen? fragt ihr Roman. Und: Wie weit darf und muss jemand aus Liebe zu einem anderen Menschen gehen? Diese Problematik macht „Beim Leben meiner Schwester“ zu einem hoch brisanten, fast schon philosophischen Roman.“

Über das Buch gibt es so viel zu sagen – zu viel. Es würde den Rahmen sprengen. Aber die zentrale Frage ist für mich:

Wie weit würde ICH gehen....
... an Saras Stelle?
... an Annas Stelle?
... an Kates Stelle?

Ich weiß keine Antwort drauf. Wahrscheinlich ist die Frage die Antwort. Wahrscheinlich ist die einzige Antwort, dass man sich überhaupt mit diesen Fragen beschäftigt. Dass man lernt, dass es eben oft nicht DIE richtige Antwort gibt, sondern viele Antworten, die jede auf ihre Art und Weise die richtige sein kann.

Am Ende des Buches stellt sich dann plötzlich eine andere Frage: Beim Leben WELCHER Schwester eigentlich? Annas oder Kates...........? Umso mehr, als der gesamte Roman in der Ich-Form geschrieben ist, nur „Ich“ ist immer jemand anders. Die Thematik wird aus allen Sichtweisen beleuchtet. Jeder Aspekt wird angesprochen, jeder Blickwinkel erläutert. Denkt man zu Beginn noch „Alles klar, die Mutter denkt nur an Kate, hat sich ein Designerbaby als Ersatzteillager für die kranke Tochter schaffen lassen und kümmert sich ansonsten wenig um sie“, so relativiert sich dieser Eindruck im Laufe der Geschichte immer mehr! Man beginnt nachzuvollziehen, was in der Mutter vorgehen muss, was sie zu ihren Entscheidungen bewegt. Man erlebt, wie sich der Verlauf verselbstständigt, wie sich die Ereignisse immer weiterschrauben, neue Entscheidungen erfordern. Aus einer einfachen Nabelschnurblutspende wird am Ende eine Nierentransplantation.... Es ist wie ein Zug, der immer schneller fährt, bis man nicht mehr abspringen kann.

Was mir nicht gefallen hat, ist das Ende. Da hat es sich die Autorin etwas zu einfach gemacht und sich um die Entscheidung, um die sich das ganze vorherige Geschehen dreht, kunstvoll gedrückt. Schade! Irgendwie stellt dieser Schluss den ganzen Sinn des Buches für mich in Frage. Das ist so das typische „Ach, was für ein Glück, es hat sich alles geregelt! - Ende“. Der Eindruck wäre nachhaltiger geblieben, wenn man das Ende offen gelassen hätte. So aber hat man einfach das Schicksal bei den Ohren gepackt und gesagt: So, nun sieh mal zu, wie du das gebacken kriegst und den Betroffenen die Entscheidung und die daraus resultierenden Konsequenzen erspart.

Mutig, solch eine Geschichte zu schreiben. Feige, sie so enden zu lassen!
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