Donna Milner: Der Tag, an dem Marilyn starb (Promise of Rain

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sillesoeren
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Registriert: Sa 8. Nov 2008, 17:02

Donna Milner: Der Tag, an dem Marilyn starb (Promise of Rain

Beitrag von sillesoeren »

Ja, gut erkannt, der einzige Kritikpunkt, den ich zu diesem Buch habe, steht schon im Betreff und richtet sich nicht an die Autorin, sondern an die Übersetzerin und den Verlag. Der kanadische Titel "Promise of Rain" drückt viel mehr vom Inhalt und vom Wesen dieses Romans aus als das oberflächliche "Der Tag, an dem Marilyn starb". Hier werde ich den Eindruck nicht los, der für die Vermarktung verantwortliche Verlagsmitarbeiter wusste nicht, was "Promise of Rain" in Deutsch heißt, hat in die erste Seite des Buchs hinein gelesen und dann kurzerhand sofort an den ersten Satz des Textes angekünpft, auch wenn dies ohne jeden weiteren Bezug zum Buchinhalt bleibt. Schwach!

Ansonsten ist dies eines der besten Bücher, die ich in der letzten Zeit gelesen habe. Zum Inhalt: Um den Tod von Lucy, die am selben Tag wie Marilyn Monroe starb, geht es in diesem Roman. Und um eine Familie, in welcher der Vater oft abwesend ist, sich in den strömenden Regen flüchtet und zur Flasche greift, weil er aus dem Krieg ein schweres Trauma mitbrachte - und ein schlimmes Geheimnis in sich trägt. Die Erzählung findet auf zwei Erzählebenenen statt: zum Einen wird aus Sicht der elfjährigen Ethie berichtet, was sich in ihrer Familie nach dem Tod ihrer Mutter zutrug. Zum Anderen gibt es Rückblenden in die Zeit von 1941 bis 1945, als ihr Vater Howard mit seinem besten Freund Gordy in Hongkong im Krieg war.

Was mir an diesem Roman gefällt? Alles! Der Schreibstil ist ruhig und harmonisch, selbst wenn Schreckliches geschieht. Dem behinderten Jungen begegnet die Autorin in ihren Beschreibungen mit so viel Liebe und Sorgfalt. Auch alle anderen Charaktere sind so genau beschrieben, dass ich sie beim Lesen vor mir sah. Keiner ist in seinem Wesen nur gut oder nur schlecht dargestellt, alle Persönlichkeiten werden in all ihren Besonderheiten dargestellt.

Über die kanadische Beteiligung am 2. Weltkrieg und die Kämpfe um Hongkong wusste ich vorher kaum etwas. Dieser Roman dient mir also zudem auch noch als Geschichtsbuch, das alle Entbehrungen und Schrecken des Krieges und der japanischen Kriegsgefangenschaft so plastisch herüber kommen lässt, dass ich die Schreie der vergewaltigten Frauen in meinen Ohren schrillen hörte und die feuchte Erde förmlich riechen konnte, als Howard den jungen Soldaten beim Kartoffelnklauen erwischte. Alle Details stimmen, es wird auch über die Schwierigkeit von Toilettengängen bei Amputierten und die nervigen Krabbeltiere in den Lagern geschrieben.

Die Spannung ist bis zur letzten Seite schier endlos: Was ist das dunkle Geheimnis des Vaters? Wie kam es zu dem ungewöhnlichen Tod der Mutter? Wie kommen die Kinder damit klar? ist die Familie noch zu retten? Ich verrate es nicht, denn ich möchte niemandem die Spannung nehmen.

Dieses Buch kann ich uneingeschränkt weiterempfehlen, es hatte mich fest im Griff und ich schämte mich nicht, am Ende weinend in der Straßenbahn zu sitzen.
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