Mackenzi Lee: Eine Weltgeschichte in 50 Hunden

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Vandam
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Mackenzi Lee: Eine Weltgeschichte in 50 Hunden

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Mackenzi Lee: Eine Weltgeschichte in 50 Hunden, OT: The History of the World in Fifty Dogs, aus dem Englischen von Daniel Beskos, Berlin 2020, Suhrkamp Verlag, ISBN 978-3-518-47103-6, Hardcover, 190 Seiten, mit mehr als 30 ganzseitigen farbigen Illustrationen von Petra Eriksson, Format: 15,6 x 2 x 20,6 cm, EUR 18,00 (D), EUR 18,50 (A).

„Als [sein Vater] starb, war Nikolaus 24, hatte einen Abschluss in Jura, einen Hipsterbart und keinen Schimmer, was ein Zar zu tun hatte. (Seite 129)

Jetzt bin ich nicht ganz sicher, was ich hier gelesen habe: ein Jugendbuch oder „Geschichte für Dummies“: In unterhaltsam-flapsigem Ton galoppiert die Autorin mit uns Leser:innen durch rund 5.000 Jahre Weltgeschichte und zeigt uns, welche Rolle Hunde bei wichtigen Ereignissen gespielt haben. Denn natürlich hatten auch viele Herrscher:innen, Feldherren, Wissenschaftler:innen, Entdecker und Kunstschaffende treue Vierbeiner an ihrer Seite, die ihr Tun und Denken beeinflusst haben. Und manchmal haben auch ganz ahnungslose Streuner unbewusst Geschichte geschrieben.

Auch wenn wir nicht genau wissen, wo, wann, warum und wie die ersten Hunde domestiziert wurden – des gibt da verschiedene Theorien -, eines ist klar: Seit Mensch und Hund zusammengefunden haben, sind sie unzertrennlich.

Der erste namentlich bekannte Hund
Dass die alten Ägypter Katzen verehrt haben, ist allgemein bekannt. Aber auch Hunde standen hoch im Kurs. Sie wurden nicht nur als Jagd- und Wachhunde gehalten, sie waren auch geliebte Haustiere. Sogar Halsbänder und Leinen kannte man damals schon. Abuwtiyuw, der Hund eines Pharao, erhielt ein Begräbnis, das eines Königs würdig gewesen wäre. Er ist der erste domestizierte Hund, dessen Namen wir kennen. Der Name seines Herrn hingegen geriet im Lauf der Jahrtausende in Vergessenheit.

Wir erfahren, warum ausgerechnet die Xoloitzcuintle – eine Hunderasse, die bestimmt keinen Schönheitspreis gewinnen würde – bei den indigenen Völkern Lateinamerikas als heilig galten ... wieso der chinesische Kaiser Wu 1.000 Jahre vor unserer Zeit seine Tochter mit einem Hund verheiratet hat ... warum laut eines altindischen Epos alle Hunde in den Himmel kommen ... und weshalb Alexander der Große eine Stadt nach seinem Mastiff benannt hat.

Die besseren Menschen ...
Wir lernen, dass Pekingesen (wo kommt denn auf einmal das „g“ her?) eine der ältesten heute noch existierenden Hunderassen sind ... wie St. Rochus zum Schutzheiligen der Hunde wurde ...dass die Konquistadoren in Amerika Kampfhunde einsetzen, um die indigene Bevölkerung einzuschüchtern und wir erleben, wie einer von denen einfach nicht mehr mitspielt. Hunde sind wohl doch die besseren Menschen.

Wir entdecken, wie ein Mops in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts einen Mordanschlag auf den König verhindert, wenn vielleicht auch nur aus Versehen ... wie der Aberglaube, der sich um einen weißen Hund rankte, im Englischen Bürgerkrieg über Sieg oder Niederlagen entschied und welche schweren Verlust der Naturforscher Sir Isaac Newton durch die Unachtsamkeit seines Zwergspitzes erlitt.

Wir sehen ein engagiertes Tierschutzprojekt im Japan des 17. Jahrhunderts buchstäblich vor die Hunde geht ... was es wirklich mit den legendären Bernhardiner, den Schweizer Rettungshunden, auf sich hat ... warum Napoleon Bonaparte keine Hunde mochte ... welche besondere Beziehung Lord Byron mit seinem Neufundländer Boatswain verband und dass es auf der ganzen Welt Geschichten über Hunde gibt, die ihren Menschen bis über den Tod hinaus treu waren.

Unerwünschte Nebenwirkungen
Wir erleben mit, wie Caroline Earle White im 19. Jahrhundert die ersten Tierheime der USA gründet und wie Skye-Terrier Trouve seinem Herrchen Alexander Graham Bell bei der Erfindung des Telefons „hilft“. (Dass Bell in seiner Eigenschaft als Professor für Sprechtechnik und Physiologie der Stimme der Gemeinschaft der Gehörlosen einen Bärendienst erwiesen hat, war mir neu. Hätte er als Sohn und Ehemann nicht hörender Frauen es nicht besser wissen müssen?). Man lernt in diesem Buch doch allerhand!

Wir begegnen Hunden, die ihre Menschen auf Expeditionen begleiten ... Hunden in Filmen ... auf der Titanic ... im Krieg – einer hat sogar einmal unwissentlich einen Grenzkonflikt ausgelöst ... den berühmten Corgis am englischen Königshof ... Rettungshunden, Blindenführhunden und Hunden im Weltall. Wir treffen auf heldenhafte Schlittenhunde, die in Alaska eine ganze Stadt vor einer Epidemie gerettet haben. In Gedenken an diesen Nome Serum Run findet seitdem jedes Jahr das Iditarod statt, ein Schlittenrennen über 1.850 km von Anchorage nach Nome.

Ein paar für uns Zweibeiner unrühmliche Beiträge zum Thema Tierversuche gibt’s in dem Band auch. Da fühlt es sich richtig schäbig an, ein Mensch zu sein.

Ein bisschen zu schnodderig
Vielleicht ist es die übliche Sachbuch-Problematik: Sind mir als Leserin die historischen Tatsachen schon vertraut, über die die Autorin hier berichtet, komme ich mir ein bisschen veräppelt vor, da mir Selbstverständlichkeiten so erklärt werden, als besuchte ich noch die Grundschule. Deshalb waren mir Berichte über eher skurrile Ereignisse, die nicht in den Schulbüchern stehen, am liebsten. Da passte dann auch der jugendlich-schnodderige Ton. Den fand ich zum Beispiel weniger angebracht, als es in einem Beitrag um die Ermordung einer siebenköpfigen Familie ging. Nur ein Hund überlebte.

„Und dann hatte Nikolaus eine richtig gute Idee. Wie wäre es, wenn er, also trotz der Tatsache, dass er nichts über Kriegsführung wusste ... was wäre also, wenn er selbst den Oberbefehl über die Armee übernehmen würde?
Und alle so: „Nikolaus, nein!“
Und er so: „Nikolaus, doch!“
(...) Fast jeder versuchte, ihn davon abzuhalten, aber er machte es trotzdem.“
(Seite 130)

Mag sein, dass sich Informationen auf diese Weise gut einprägen, aber ich finde es ein bisschen geschmacklos.

Man erfährt viel Neues
Dass die Fakten stimmen, glaube ich schon, schließlich ist Mackenzi Lee vom Fach. Die umfangreiche Bibliographie im Anhang zeigt auch, dass sie sich mit dem Thema „Hunde in der Weltgeschichte“ intensiv beschäftigt hat. Und ich habe beim Lesen eine Menge Neues erfahren – über Hunde und über uns Menschen. Nur die Präsentation des Wissens konnte mich nicht restlos begeistern. Das war mir stellenweise zu klamaukig.

Wunderbar finde ich die plakativen, ganzseitigen Illustrationen von Petra Eriksson. Die sollte es als Poster oder Kunstdrucke geben! Da würde sogar ich als Katzenfan das eine oder andere Motiv gerne aufhängen.

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Abb.: (c) Suhrkamp Verlag, Foto: E. Nebel

Die Autorin
Mackenzi Lee ist Historikerin, New York Times-Bestseller-Autorin und unabhängige Buchhändlerin. Sie lebt in Boston. www.mackenzilee.com

Die Illustratorin
Petra Eriksson ist in Stockholm geboren und lebt – nach Zwischenstationen in Dublin und Malta –in Barcelona. Sie hat an der renommierten Stockholmer Berghs School of Communication studiert. www.petraeriksson.com

Der Übersetzer
Daniel Beskos ist Mitgründer des Hamburger Mairisch Verlags und daneben als Übersetzer, Moderator und Veranstalter tätig.
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