Judith Fanto: Viktor

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ann-marie
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Registriert: Mi 26. Feb 2020, 06:28

Judith Fanto: Viktor

Beitrag von ann-marie »

Auf familiäre Wurzeln stolz sein und sie leben
Geertje, geboren und aufgewachsen in den Niederlanden, begibt sich während ihres Studiums auf die Suche nach der familiären Vergangenheit und ihre Erkenntnisse und Ergebnisse führen bei ihr zu einer tiefgreifenden Veränderung ihres eigenen Seins: sie bekennt sich zu ihren jüdischen Vorfahren und Wurzeln und zeigt dies "aller Welt" durch eine recht drastische Maßnahme: sie ändert ihren Vornamen und tauscht ihn gegen den jüdischen Vornamen "Judith" aus.
Bruchstückhaftes Wissen um ihre Großeltern, die zwar in der gehobenen Wiener Gesellschaft zu Hause waren jedoch während des zweiten Weltkriegs und den damit verbundenen Repressalien gegenüber Juden aus ihrer Heimatstadt in die Niederlande flüchten konnten, lässt sie auch einen längst verstorbenen Familienangehörigen, Victor, Bruder ihres Großvaters, kennenlernen.
Victor, dessen äußeres Erscheinungsbild alles andere als auf eine jüdische Abstammung hindeutet, entspricht so gar nicht der Erwartungshaltung, die an einen Sohn aus besserem Haus gestellt wird. Ausbildung oder auch ein Studium kann er nicht vorweisen. Doch er verfügt über sehr viel Empathie, was sich bereits in jungen Jahren zeigt, indem er sich für einen aus ärmlichen Verhältnissen stammenden jüdischen Jungen einsetzt und ihn verteidigt. Und auch in der Folgezeit setzt er sich immer und zum Teil auch mit großem Risiko für andere ein.
Der Roman teilt sich in zwei Erzählstränge: auf der einen Seite Geertje hier und heute auf der Suche nach Antworten und auf der anderen Seite die Zeit der Großeltern mit durchaus vorhandener Todesangst. Wie sonst lässt sich erklären, dass auch Geertjes Eltern ihre jüdischen Wurzeln nach wie vor verstecken bzw. nicht frank und frei dazu stehen.
Dass es sich um einen Teil Familiengeschichte der Autorin handelt, verleiht dem Roman eine ganz besondere Bedeutung. Keine fiktiven Personen und Ereignisse, sondern reale Menschen mit unbeschreiblichen Schicksalsschlägen, die betroffen machen. Und faszinierend der Mut und die Energie, aber auch die Geduld und Feinfühligkeit, mit der die Autorin "den Dingen auf den Grund geht".
Ein etwas anderer Roman über die Wirkung und Auswirkung des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart. Ergreifend, berührend, mutig – absolut lesenswert!
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