Susanne Ackstaller: Die beste Zeit für guten Stil. Fashion for Women. Not Girls

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Vandam
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Susanne Ackstaller: Die beste Zeit für guten Stil. Fashion for Women. Not Girls

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Susanne Ackstaller: Die beste Zeit für guten Stil. Fashion for Women. Not Girls, München 2021, Knesebeck Verlag, ISBN 978-3-95728-444-0, Klappenbroschur, 176 Seiten, mit 200 farbigen Abbildungen, Fotos: Martina Klein, Illustrationen: Veronika Gruhl, Format: 15,9 x 1,9 x 23,1 cm, EUR 25,- [D] EUR 25,70 [A].

„Dieses Buch soll Sie nicht mit der (vermeintlich) richtigen Rocklänge, idealen Schnittführungen und optimalen Proportionen verunsichern, sondern Ihnen Lust auf eine modische Reise zu sich selbst machen. Betrachten Sie meine Ideen ausdrücklich nicht als Ratschläge oder gar Regeln, sondern als Möglichkeiten, die Sie ganz nach Lust und Laune interpretieren dürfen. Nichts muss, alles kann.“ (Seite 6)

Gut, dass die Autorin das Konzept gleich zu Beginn klarstellt. Denn sobald mir jemand vorschreiben will, wie ich mich zurechtmachen sollte, stelle ich die Stacheln auf. Ich finde ja, als längst erwachsener Mensch – und das Buch richtet sich in erster Linie an Frauen um 50 – sollte man sich in seiner Kleidung wohlfühlen und sich von niemandem dreinreden lassen, außer vielleicht vom Arbeitgeber, falls dieser ein berechtigtes Interesse daran hat. Alle anderen dürfen gern eine Meinung zu unserer Aufmachung haben und diese auch äußern, wenn’s gar nicht anders geht ;-) – aber kümmern muss uns das nicht.

Information und Inspiration für Leserinnen um die 50
Was natürlich nie verkehrt ist, ist Information und Inspiration. Beides gibt’s hier. Im unterhaltsamen Plauderton, den wir aus ihrem Blog texterella.de kennen, erzählt die Autorin von ihren Mode-Erfahrungen und stellt 20 „Key Pieces“ vor – aktuelle modische Lieblingsteile, die den gesamten Look prägen können – die vielleicht auch etwas für uns Leserinnen wären. Nebenbei erfahren wir noch allerlei Interessantes über Geschichte und Besonderheiten von Aran-Pullover und Streifenshirt, Barett und Ballerinas, Streifenshirt und Twinset und anderen Teilen mehr. Z.B. auch, worauf wir beim Kauf achten sollten.

Ich bin zwischen Nähmaschinen, Stoffen, Schnittmustern, Kurzwaren und Kundinnen aufgewachsen. Über Mode habe ich so manches gelernt und gelesen, aber das eine oder andere hier war mir doch neu. Amüsiert hat mich die Vermutung, Turnschuhe wären nur deshalb in „Sneakers“ umgetauft worden, „damit wir nicht ständig an den Sportunterricht in der Schule denken müssen, der uns fürs Leben traumatisierte (oder kennen Sie jemanden, der Schulsport in guter Erinnerung hat)?“ (Seite 47) Diese Theorie gefällt mir!

Nicht nur für Idealfiguren
Mit all diesen Tipps und Infos im Gepäck können wir nun in Ruhe überlegen, ob die hier in Wort und Bild präsentierten Kleidungsstücke auch für uns in Frage kämen. Vielleicht sollten wir’s mal probieren, auch wenn wir noch nie ein Kleines Schwarzes, eine Jeansjacke oder einen Tüllrock getragen haben. Ob wir das gute Stück eher klassisch, lässig oder extravagant inszenieren wollten, wenn wir’s denn besäßen, können wir uns aussuchen. Anregungen für die verschiedenen Möglichkeiten liefert die Autorin mit.

Wo wir diese Kleidungsstücke und Accessoires bei Interesse erwerben könnten, erfahren wir ebenfalls. Es werden verschiedene Marken – von Luxus bis nachhaltig – vorgestellt und Bezugsquellen aufgelistet.

11 Porträts stilsicherer Frauen
Eine Idealfigur brauchen wir für diese Mode nicht. Das Buch richtet sich ja an eigens an lebenserfahrene Frauen, die höchstwahrscheinlich keine Teenie-Maße mehr haben. Hier geht’s um Mode für Frauen, nicht für Mädchen. Dafür weiß diese Zielgruppe sehr gut, was sie will und was nicht. Genau wie die 11 selbstbewussten und stilsicheren Interviewpartnerinnen. Sie erzählen, wie Kleidung die Persönlichkeit unterstreichen kann, wie sich ihr Modebewusstsein im Laufe des Lebens verändert hat und was sie Frauen über 50 in puncto Mode mit auf den Weg geben würden.

So faszinierend diese Porträts sind: Hier taucht kurz das auf, was ich nicht leiden kann: Jedes Interview enthält nämlich auch Frage, welche 5 Key Pieces jede Frau im Schrank haben sollte. Nur wenige der Damen sagen so etwas wie: „Das muss jede Frau selber wissen. Bei mir ist das so und so. Für mich persönlich funktioniert das. Wie das bei euch ist, kann ich nicht beurteilen, das müsst ihr selber ausprobieren.“

Am coolsten fand ich die Antwort der Künstlerin Etelka Kovacs-Koller (Jahrgang 1952): „Jede Frau sollte das im Schrank haben, womit sie sich gut fühlt.“ (Seite 134) Damit bestärkt sie uns darin, unseren eigenen Modeweg zu gehen. Das bedeutet ja nicht, dass wir für immer auf einem Entwicklungsstand verharren und nicht mehr mit neuen Looks experimentieren können.

Wir dürfen, was wir wollen
Es ist eine Gratwanderung. Das Buch will mehr ein als eine amüsante Mode-Plauderei. Es wird vom Verlag als „motivierender Mode-Guide“ bezeichnet, und da kommt man wohl um das eine oder andere „Sollen“ nicht herum. Auf jeden Fall ist nirgendwo die Rede davon, dass Frauen ab 40, 50, 60 ... etwas nicht mehr „dürfen“. Das liest man ja öfter in Zeitschriften, und da krieg ich jedes Mal den Vogel. Nein, DIE BESTE ZEIT FÜR GUTEN STIL ist keine Modepolizei. Hier ist verbotsfreie Zone. Wir dürfen, was wir wollen und brauchen niemandes Erlaubnis dafür einzuholen.

Was lernen wir aus diesem Buch?
  • Wir benötigen keinen perfekten Modelkörper, um uns modisch kleiden zu können.
  • Mode ist keine Frage des Alters und der Konfektionsgröße.
  • Es ist in vollkommen in Ordnung, einen eigenen Stil zu haben und aus großer Höhe darauf zu pfeifen, was andere davon denken.
  • Wir brauchen nicht unendlich viele Teile, um immer gut angezogen zu sein.
  • Wir dürfen offen sein für Neues. Nur weil wir früher bestimmte Kleidungsstücke, Stile oder Farben für uns ausgeschlossen haben, muss das nicht auf ewig so bleiben.
  • Bedenken sollte man auch Fair Trade und Nachhaltigkeit. Auch wenn manche diese Begriffe nicht mehr hören können: Irgend jemand (Arbeitsbedingungen!) muss die Textilien und Accessoires irgendwie (Ressourcen!) und irgendwo (Transportwege!) produzieren. Wenn man so ein Teil dann nur wenige Male trägt (Fast Fashion!) und danach wegschmeißt, ist das eine gigantische Verschwendung – und das sollte man nicht fördern.
Bestärkung in modischem Eigensinn
In Sachen Nachhaltigkeit ist bei mir durchaus noch Luft nach oben. Ich kaufe keinen billigen Ramsch, aber ich habe noch nie darauf geachtet, wo auf der Welt die Artikel hergestellt werden. Da hat mich das Buch kalt erwischt und ich werde mich bemühen, diesen Aspekt künftig stärker zu berücksichtigen.

In puncto modischem Eigensinn hätt’ ich jetzt weniger moralische Unterstützung benötigt, obwohl ich sie natürlich genossen habe. Ich bin schon so lange bunt und schräg unterwegs, dass es mir seit Jahren wurscht ist, was die Leute sagen. (Ich hätte bei der Frage nach meiner Lieblingsmodemarke wohl THE MOUNTAIN-Shirts angeben müssen.) Das kann bei anderen Leserinnen ganz anders sein.

Ein bisschen kann ich auch die Leserinnen verstehen, die sich von dem Buch mehr konkrete Ratschläge erhofft hatten und sich enttäuscht äußern. Das liegt „am System“: Bei einem Sachbuch kann man nicht immer auf den Punkt genau beschreiben, was die Leser*innen bekommen. Was man aus Sachbüchern „mitnimmt“, liegt zu einem großen Teil daran, wo man vor der Lektüre stand und welche Vorkenntnisse und Erwartungen man hat. Mir war ziemlich klar, was ich hier bekomme, weil ich Susanne Ackstallers Blog texterella.de kenne. Vielleicht sollte man im Zweifelsfall da mal reinschauen und dann entscheiden, ob einem dieser Stil und die Art der Informations-Aufbereitung liegen.

Die Autorin
Susanne Ackstaller ist Kolumnistin, Bloggerin und Texterin. Seit 2009 schreibt sie auf ihrem Blog Texterella, der zu den bekanntesten Blogs Deutschlands zählt, über Mode und Lifestyle. Texterella richtet sich insbesondere an Frauen über 40, vor allem aber an Frauen, die ihren Weg voller Freude und Lebenslust gehen – unabhängig von Alter und Kleidergröße.

Die Fotografin
Martina Klein ist Fotografin und bloggt unter Still Sparkling über Stil, Reisen, Beauty und Genuss für die Generation ü50. In ihren Bildern fängt sie mit viel Feingefühl die individuelle Persönlichkeit der Portraitierten ein und holt sich dabei besonders gerne Frauen Ü40 vor ihre Kamera.

Die Illustratorin
Veronika Gruhl ist Illustratorin aus München. Das Zeichnen von Menschen und Mode liegt ihr besonders, sodass sie einen der Schwerpunkte ihrer Arbeit auf die Live-Illustration bei Events gelegt hat.

Die Interviewpartnerinnen
Annette Bopp (Autorin und Medizinjournalistin), Bibi Horst (Lifestyle-Bloggerin), Carola Niemann (Chefredakteurin The Curvy Magazine), Christine Mortag (Autorin), Claudia Braunstein (Food- und Travel-Bloggerin), Dagmar Macêdo (Online-Redakteurin und Autorin), Etelka Kovacs-Koller (Malerin), Mel Buml (Foodbloggerin), Mirjam Smend (Modeaktivistin und Initiatorin der GreenstyleMuc ), Stephanie Grupe (Gründerin der Modeflüsterin-Akademie), Susanne Gundlach (Stylistin und Bloggerin)
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spiralnebel111
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Re: Susanne Ackstaller: Die beste Zeit für guten Stil. Fashion for Women. Not Girls

Beitrag von spiralnebel111 »

Denn sobald mir jemand vorschreiben will, wie ich mich zurechtmachen sollte, stelle ich die Stacheln auf. Ich finde ja, als längst erwachsener Mensch – und das Buch richtet sich in erster Linie an Frauen um 50 – sollte man sich in seiner Kleidung wohlfühlen und sich von niemandem dreinreden lassen,
Volle Zustimmung!

Ich selbst brauche nicht einmal "Mode" und "modisch". Und schon gar nicht "Trendy". Garstig finde ich "ein Must-Have". Nee, ich muß nicht, ganz sicher nicht. :twisted:

Ich habe jahrelange fleißig konsumierende Shopperinnen beobachtet, und fand nur eine einzige Frau, die meiner Meinung "besser oder schicker" angezogen war als jene, die Mode nicht oder kaum kratzt. Diese Eine hat allerdings auch Nägel mit Köpfen gemacht, garantiert eine Farberatung hinter sich, und war wirklich immer von Kopf bis Fuß wie aus dem Ei gepellt.
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Vandam
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Re: Susanne Ackstaller: Die beste Zeit für guten Stil. Fashion for Women. Not Girls

Beitrag von Vandam »

Ich fahre ja - wenn ich nicht gerade im Homeoffice arbeite - mit der Stadtbahn zur Arbeit. Das ist unsere "Bürolinie" ;-). Damit fahren die Leute ins Bankenviertel. Und ich habe da im Lauf der Jahrzehnte einige Damen mit Stil und Geschmack gesehen, durchaus nicht uniform, sondern sehr eigenwillig. Die haben den Dresscode ihrer Arbeitgeber auf ihre Art interpretiert. Fand ich klasse.

Ich behaupte ja immer: Alles, was man verbal parieren kann, kann man auch anziehen. :-D
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