Sarah Brown: Die Katze. Geschichte, Biologie, Rassen

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Vandam
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Sarah Brown: Die Katze. Geschichte, Biologie, Rassen

Beitrag von Vandam »

Sarah Brown: Die Katze. Geschichte, Biologie, Rassen, OT: The Cat. A Natural History, übersetzt von Jorunn Wissmann, Monika Niehaus, Coralie Wink, Bern 2020, Haupt:Verlag, ISBN 978-3-258-08164-9, Hardcover, 224 Seite, mit Farbfotos, Illustrationen, Graphiken und Karten, Format: 20,5 x 2,4 x 24,4 cm, Buch: EUR 29,90.

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Ich habe eine ganze Regalwand voller Katzenbücher. Dieses hier dürfte das „wissenschaftlichste“ sein. Die Autorin ist Doktorin der Zoologie und arbeitet seit 30 Jahren mit Katzen und deren Halter. Sie weiß also, wovon sie spricht und hat nicht irgendwas aus –zig anderen Katzenbüchern abgeschrieben (was durchaus vorkommt).

In seiner sachlichen Nüchternheit gefällt mir das Buch. Der Inhalt wirkt vertrauenswürdig. Hier steht kompakt alles drin, was man über Katzen wissen wollen könnte – aber es ist für die Leser*innen auch recht anspruchsvoll. Mein Biologie-Unterricht ist über 40 Jahre her und ich habe das Wissen seither nur „hobbymäßig“ gebraucht. Da bin ich bei manchen Passagen ein bisschen ins Schwitzen gekommen:

„Katzen, die heterozygot für ein Merkmal sind, besitzen die rezessive Form des Merkmals. Sie exprimieren das rezessive Merkmal zwar nicht, können es aber an die nächste Generation weitergeben. Wenn zwei Träger beide identische Allele an einen Nachkommen weitergeben, wird das rezessive Merkmal bei diesem Nachkommen exprimiert, da das dominante Merkmal fehlt.“ (Seite 67)

Äh, ja. Ich verstehe, was da steht. Aber ein bisschen verrückt muss man als Laie wohl sein, um so etwas aus purer Neugier in seiner Freizeit zu lesen. ;-) Okay: die Genetik mit all ihren Fachbegriffen, ist ,auf wenige Buchseiten komprimiert, besonders einschüchternd. Alle anderen Themenbereiche des Buchs sind leichter zu verstehen.

1. Evolution und Domestikation
Am Anfang waren die Miaciden, waldbewohnende Säugetiere, die vor rund 6 Millionen Jahren in Nordamerika und Eurasien lebten. Aus ihnen sind die Carnivora (Raubtiere) hervorgegangen – nicht nur die Katzen, sondern auch die Hunde.

Wir lernen diverse Vorfahren der Hauskatzen kennen, zum Beispiel Pseudaelurus, der schon recht „modern“ aussieht und Smilodon, den furchterregenden Säbelzahntiger. Die heutige groß- und kleinkätzische der Verwandtschaft unserer Stubentiger treffen wir auch. Nicht alle Kleinkatzen waren mir geläufig. „Felis margarita“, z.B., eine niedliche aussehende nordafrikanische Sandkatze, deren Name ein bisschen nach einem Drink klingt, hätte ich nicht identifizieren können. Man lernt hier so allerlei.

Unsere Hauskatzen stammen von der nordafrikanischen Felis lybica lybica ab, zur Domestikation kam es dann vor rund 10.000 Jahren in der Region des „Fruchtbaren Halbmonds“ im Nahen Osten. Die Menschen waren sesshaft geworden, betrieben Landwirtschaft und hatten Getreidespeicher – und damit auch unerwünschte Nagetiere. Das lockte die wilden Katzen an, und schon hatten Mensch und Katz’ einen Deal: „Ihr haltet uns die Mäuse von der Backe und wir tun euch nichts.“

Mit der Zeit wurden die Wildkatzen zahmer und wandelten sich vom geduldeten Mäusejäger zum tierischen Gefährten des Menschen. Durch Seefahrer, Händler und Entdecker verbreiteten sie sich in aller Welt, nicht immer zur Freude und zum Nutzen der einheimischen Fauna, die dem unbekannten Fressfeind oft nichts entgegenzusetzen hatte.

2. Anatomie und Physiologie
Hier erfahren wir, wie es zu den verschiedenen Farbschlägen und Fellzeichnungen kam und wie die Evolution die Katze darüber hinaus noch verändert hat. Es gibt eine Vielzahl von Informationen über den Katzenkörper und über ihre Sinne. Hier findet man auch den eingangs angesprochenen Beitrag über die Genetik.

3. Ökologie, Sozialstruktur und Verhalten
In diesem Kapitel geht es um das Revierverhalten verwilderter Katzen, Streunern und halbwilden Tieren, um Einzelgänger und Gruppen. Wir entdecken die sozialen Strukturen bei Hauskatzen und die verschiedenen Arten, wie die Tiere untereinander kommunizieren. Auch Partnerwerbung, Paarung, Aufzucht und Entwicklung der Jungtiere werden hier thematisiert.

4. Katzen und Menschen
Im alten Ägypten wurden die Katzen wie Götter verehrt, im Mittelalter hat man sie bei uns als teuflische Tiere gehasst, gefoltert und getötet. In Asien brachte man zu der Zeit den Katzen mehr Respekt entgegen, und auch in Europa kamen für sie wieder bessere Zeiten. Sie hielten Einzug in die Häuser und die Herzen der Menschen und auch in die Kunst.

Wir lernen, wie Katzen mit uns Menschen sozialisiert werden und wie es kommt, dass manche nie etwas mit uns zu tun haben wollen. Wir erfahren, wie Katzen mit uns kommunizieren – deutlich anders als mit ihren Artgenossen -, was wir im Umgang mit ihnen besser bleiben lassen sollten und warum sie uns Menschen so gut tun.

5. Katzen heute
Kapitel 5 dreht sich um Freigängerkatzen, um Überpopulation und Kastration. Der Mehrkatzen-Haushalt ist ein Thema, Vergesellschaftung mit Neuankömmlingen sowie die Lebensbedingungen von Wohnungskatzen, Gesundheit und Problemverhalten. Und um Tierheime geht’s auch.

6. Verzeichnis einiger Katzenrassen
Nach einer kurzen Einführung ins Thema Katzenzucht geht’s an die Präsentation von 48 Katzenrassen. Von der Bengal bis zur Türkisch Van werden sie in Wort und Bild vorgestellt. Ein Foto zeigt jeweils eine*n typische*n Vertreter*in der Rasse. Es wird kurz und knackig erklärt, wie, wo und warum die Rassen entstanden ist. In einer Box gibt’s stichwortartige Informationen zu Gewicht, Genetik, Aktivität (vom Temperamentsbündel bis zur Sofakatze), Charakter, Aufwand für die Fellpflege und bekannte häufige Gesundheitsprobleme. Da wird man bei Interesse nachschlagen müssen, denn die Fachbegriffe hat man als Laie nicht unbedingt parat. Eine kleine Weltkarte zeigt jeweils, wo die Rasse entstanden ist.

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Abb.: © Haupt:Verlag / Foto: E. Nebel

Ein Anhang mit der Erläuterung einiger medizinischer Fachbegriffe, einer Liste mit weiterführender Literatur, einem Register und Informationen zur Autorin runden den Band ab.

Als kompakten und verlässlichen Informationslieferanten kann ich dieses Buch empfehlen. Es hat mir jetzt keine sensationell neuen Erkenntnisse beschert, aber doch einige interessante Details geliefert, die mir bislang entgangen sind.

Schade ist, dass die Schrift so klein ist. Bei abendlicher Beleuchtung konnte ich das Buch trotz Brille nicht lesen, das ging nur bei Tageslicht oder bei brachialer LED-Beleuchtung. Für die winzigen Bildunterschriften war gelegentlich eine beleuchtete Lupe nötig. Das ist leider bei Sachbüchern häufiger der Fall. Man will eben viele Informationen auf möglichst wenigen Seiten unterbringen, weil das Buch sonst zu teuer wird. Und dann leidet ein bisschen die Benutzbarkeit.

Die Autorin
Sarah Brown ist promovierte Zoologin und arbeitet seit 30 Jahren mit Katzen und ihren Haltern: in der wissenschaftlichen Forschung, in der Heimtierbranche, Tierhilfe-Organisationen und als selbstständige Beraterin. Sie ist Autorin wissenschaftlicher Veröffentlichungen und Co-Autorin des Lehrbuchs "The Behaviour of the Domestic Cat" (2012). Sie lebt mit ihrem Mann, vier Töchtern, zwei Katzen, einem Hund und einer Landschildkröte in London.
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