Endlich

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Weltenbruch
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Registriert: Fr 6. Nov 2020, 11:12

Endlich

Beitrag von Weltenbruch »

Eine Geschichte, die mir schwerfällt einem Genre zuzuordnen - Horror/SciFi? Ich habe auch eine Hörbuch-/Hörspielversion davon veröffentlicht: https://youtu.be/E55iT3CIx64

Seine Augen weiteten sich und erstaunen legte sich auf sein Gesicht, als ich ihm zeigte, wie der Mensch zu seinem Wissen gekommen war. Wie der Mensch überhaupt entstehen konnte. „Eine minimale Genmanipulation?“ Ich nickte. Bolko Krouth lehnte sich über die blassen roten Linien, die ich in die Luft gezeichnet hatte. Sein Gesichtsaudruck lag zwischen Verständnis und Verwirrung.
„Und jeden einzelnen großen Denker habt ihr beeinflusst?“
„Ich. Ich wurde vor mehreren tausenden Jahren hierher gesandt, um die Samen zu pflanzen aus denen die Wissenschaft erwachsen würde. Behutsam und abwartend. Aber ich bin fertig.“
„Und jetzt? Was kommt jetzt?“ „Der Mensch hat sich würdig erwiesen, um mit uns in Kontakt zu treten. Das Planetensystem von dem aus wir operieren ist weit außerhalb des momentan einsehbaren Radius' des Universums.“ „Faszinierend“, murmelte er.
Ich hatte mich als Assistenz bei Bolko beworben. Er war einer der wichtigsten Wissenschaftler auf dem Gebiet der Astrophysik und galt schon immer als Wunderkind. „Was ist mit mir? Welche Gedanken kamen von mir selbst überhaupt?“ „Das meiste. Ich lege nur den Samen. Die Pflanze muss von ganz allein wachsen. Und sie ist prächtig gewachsen.“ „Warum gerade ich?“ Ich erklärte ihm, warum ich ihn ausgewählt hatte und wählte meine Worte mit Bedacht. Es hing viel davon ab, wie sehr er an mir zweifeln würde.
Aber er glaubte mir. Er war überzeugt. „Ich hab mich immer gefragt, was da draußen ist, was dort auf uns wartet. Aber es war längst hier auf der Erde.“ Er lächelte. Wir gingen raus auf den Balkon des Gebäudes und sahen in den Nachthimmel. „Bist du ganz allein gekommen?“ „Ja. Auf jeden belebten Planeten einen von uns. Bei höherentwickelten Rassen auch mal mehr Leute, aber das...“ Er grinste und nickte. „Krone der Schöpfung.“ Er spuckte die Worte aus. „Warum jetzt?“ „Es ist eben Zeit. Der Entwicklungsstand ist hoch genug.“ „Kannst du ihnen keine Botschaft senden?“ „Ich kann, aber dann wären sie nicht so willig. Es ist wichtig, dass sie das Gefühl haben, dass die Menschen würdig sind. Würdig für den Besuch.“ „Wie?“ „In dem ihr uns entdeckt. Es ist möglich, man muss nur ein wenig an der Apparatur arbeiten und ich muss dir zeigen, wo wir sind. Da draußen.“ Ich zeigte mit dem Finger in die Luft. „Habt ihr alle eine menschliche Gestalt.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich modiliere mich.“ „Wie siehst du wirklich aus.“ „Es gibt keinen Urquell. Man moduliert sich von Anfang an.“ Wir schwiegen einige Zeit. „Die Götter der Maya.“ Sein Ton hatte etwas andächtiges. Ich nickte. „Alles echt?“ „Mehr oder weniger. Ja. Aber vieles ist vergessen.“ „Warum hast du den Kontakt nicht dann schon hergestellt?“ „Den Maya nützte aber ihr Wissen um unsere Existenz nicht viel. Sie hatten nicht die nötige Technik um uns zu entdecken. Ich kann einen Samen auslegen, aber mancher Boden ist einfach noch nicht dafür gemacht.“ Er verstand. Zweifel legte sich kurz darauf auf sein Gesicht. „Was wird passieren, wenn ihr hier seid?“ „Grenzenloses Wissen. Alles wird sich verändern.“ Er legte seine Stirn in Falten. „Sollten wir?“ „Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Niemals.“ Er nickte. „Es ist besser, wenn die richtigen Leute uns finden. Wenn du uns findest.“ „Was müssen wir tun?“ „Wir müssen zuerst das Teleskop verändern.“ Ich legte ihm die Pläne vor, die er brauchen würde, um das Projekt voranzubringen. Nachdem ich ihn deutlich angeleitet hatte, dass er niemandem erzählen durfte, dass ich das war und ihn anleitete, setzte er die Pläne um. Zehn Techniker bauten das Teleskop um und nach nur wenigen Tagen war es fertig. Die Apparatur hatte nun mehrere Zwischenmodule, die die Leistung ums hundertfache steigerten. Es war viel präziser.
Mehr als einmal hatten die Techniker den Umbau kontrollieren müssen, bis es wirklich haargenau passte. „Ein Fehler und die ganze Unternehmung scheitert“, hatte ich zu Routh gesagt und er hielt die Arbeiter ein weiteres Mal an, das Modul zu kontrollieren.
Abends war der Himmel wolkenlos und perfekt für die Beobachtung. „Es ist Zeit“, sagte ich und gab ihm die Koordinaten, die er in das Gerät tippen sollte. Seine Hand zitterte kaum merklich, als er auf dem Display die Koordinaten eintippte. Die Module verschoben sich und es dauerte einige Zeit, bis der Vorgang abgeschlossen war. Dann sah er durch das Teleskop in die unendlichen Weiten des Kosmos. Er keuchte. Er wandte sich von dem Teleskop ab. „Ich kann so viele Einzelheiten entdecken. So unendlich viel. Die grobe Technik. Es ist gigantisch.“ Ich nickte. „Einer der Planeten wirkt wie ein unendlich großer Haufen Metall. Welche Technik dort verborgen ist.“ Er schluckte. „Das ist meine Heimat. Wir haben den Planeten selbst geschaffen.“ Er sah mich ungläubig an. „Wie?“ Ich schüttelte den Kopf. „Alles zu seiner Zeit.“
„Es tut mir leid. Ich zweifelte noch innerlich irgendwo, aber das ist alles viel größer, als ich jemals ...“ Er beendete seinen Satz nicht. „Wir werden jetzt die Weltöffentlichkeit damit bekannt machen. Dein Ruhm wird grenzenlos werden. In tausenden von Jahren wird man sich noch an deinen Namen erinnern können.“ Ich erklärte ihm, dass nur genug darüber gesprochen werden müsste und es dann zu einer Ankunft kommen würde.
Es begann mit einem Artikel und es schlug eine ungeahnte Welle von sich. Wenn es am ersten Tag nur ein paar Meldungen waren, war es am Tag darauf viral. In jeder Zeitung, in jedem Blog wurde darüber berichtet. „Wir sind nicht allein“ titelte die New York Times.
Kouth erzählte davon, wer wir waren, wie wir beeinflusst worden waren und schließlich wurde ein Vortrag organisiert. Ich hatte mich mittlerweile komplett zurückgezogen, um nicht entdeckt zu werden und verfolgte begierig das Geschehen und an dem Abend des Vortrags waren hunderte Sender auf der Welt nur darauf gerichtet.
Kouth. Der Mann, der erklärte, welche Bedeutung die Alienrasse in dem Leben der Menschen bedeutet hatten. Der Mann, der erklärte, dass sie kommen würden. Als er zu dem Rednerpult trat, merkte man ihm seine Aufregung an. Er zitterte. Ganz leicht. Für die Menschen war es höchstens unterbewusst wahrnehmbar, aber ich fühlte jede Kleinigkeit.
Hunderte Wissenschaftler, Staatsmänner und andere wichtige Persönlichkeiten hatten sich in einem Raum versammelt, um ihm zuzuhören.
Über eine Stunde lang sprach er darüber und die Welt schien aus den Fugen geraten. Es war als gäbe es für eine Stunde kein anderes Thema und ich wusste, dass es bald soweit wäre. Mein Volk würde kommen und endlich diesen dreckigen Planeten vernichten. Ich war nicht hierher geschickt worden, um die Menschen zu unterstützen, sondern um den Samen reinzugeben, um zu sehen, ob sie es zu weit schaffen würden.
Dieser Planet war nicht meine Heimat und es war schon so lange her, dass ich Zuhause war. Tausende von Jahren waren vergangen und wegen der Zeitkrümmung war das hundert- und tausendfache der Zeit dort verstrichen. Was war in all der Zeit geschehen? Ich sah demütig nach draußen und hoffte auf ein Zeichen, auf die bald eintreffende Landung. Jede Minute kam mir wie ein weiteres Jahrzehnt vor, dass ich hier auf diesem dreckigen Planeten verbringen musste.
Ich glaubte nicht, dass der Mensch jemals in der Lage sein könnte, ohne meine Hilfe. Und das war der Punkt. Man hätte mich bis zum Ende der Menschen hiergelassen, zur Beobachtung, wenn nichts passiert wäre. Ich sah zurück auf die Mattscheibe. Der Vortrag war gerade beendet worden und lautes Klatschen dröhnte aus den Lautsprechern. Die Kamera schwenkte über die Menschen, die zum Großteil aufgestanden waren und Beifall spendeten.
Ratten.
Ein Signal wurde wenige Tage später aufgenommen und in den Weltraum geschickt. Eine Botschaft. Jetzt würden sie kommen. Wenn eine zielgerichtete Nachricht sie erreichte, würden sie kommen und diesen Planeten vernichten.

Der Morgen graute schon, als das feine Surren an mein Ohr drang.
Nur wenig später wurde auch im Radio von der Ankunft berichtet. Gigantische Raumschiffe wären es, so sagte man, überall auf der Welt. Ich sah nach draußen. Der Himmel war bedeckt von dunklen Punkte, aber die Wolken verdeckten noch das meiste. Sie würden kommen. Und ich wäre endlich wieder auf dem Weg in meine Heimat.
Es dauerte, bis ich die Raumschiffe konkreter sehen konnte. Im Radio sprachen sie alle von der Ankunft. Die alten Astronautengötter waren zurückgekommen und würden das menschliche Wissen revolutionieren. Unzählige Stimmen quäkten aus den Lautsprechern und ich schaltete sie einfach aus. Heute Abend würde kein Mensch mehr existieren. Diese Welt würde morgen aufwachen, mit einer Rasse weniger auf dem Planeten. Ich lächelte. Routh war dumm gewesen. Selbst der klügste Mensch der Welt war nur eine einzelne Pflanze, während wir ein ganzer Wald waren.
Ich war wütend. So viel Zeit war verloren gegangen, so unendlich viel Zeit, die einfach verschwunden war.
Ich sah noch einmal in den Himmel. Eines der Schiffe durchbrach die Wolkendecke und ein bläulicher Rumpf schälte sich aus dem Weiß. Und ich erstarrte, als ich das Schiff erkannte.
Das waren nicht die Schiffe meiner Heimat. Das war kein Baustil den wir pflegten. Hatte sich in der Zeit alles verändert. Ich schaltete den Fernseher an. Auf anderen Teilen der Welt waren längst Schiffe gelandet und Krieg wütete. Man sah nur Fetzen von den Kreaturen, die aus den Schiffen kamen. Das waren nicht meine Landsleute. Das war eine fremdartige Rasse.
Mir wurde klar, was das bedeutete. Die Nachricht hatte jemand anderen erreicht. Aber sie war punktgenau auf diesen Planeten gerichtet worden. Es war absolut unmöglich, dass jemand anderes sie bekam. Was nur bedeuten konnte, dass diese Rasse meinen Heimatplaneten zu ihrem gemacht hatten.

Ich war paralysiert, als mir klar wurde: Ich war der letzte meiner Art.
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